BASECAMP Kitchen Talk: Gesundheitsminister Karl Lauterbach zu Gast am Küchentisch
Wie wurde Karl Lauterbach zu dem Politiker, den heute in Deutschland fast alle kennen? Und was erhofft er sich von der Digitalisierung in der Medizin? Unser neu aufgelegtes Format des Kitchen Talk gab Antworten auf diese und weitere Fragen und bot einen persönlichen Einblick in das Leben und den Werdegang des Bundesministers für Gesundheit.
Ein persönliches Gespräch mit hochkarätigen Gästen über Biografisches, Dienstliches, Spaßiges, Wichtiges und Sonstiges – das ist das Ziel des Kitchen Talk im BASECAMP. Mit der bekannten TV-Moderatorin und Journalistin Katrin Bauerfeind als neuer Gastgeberin sowie Gesundheitsminister Karl Lauterbach als erstem Gast des wiederaufgelegten Formats hätte diese Intention kaum besser erfüllt werden können.
Vom Arbeiterkind zum Mediziner und Professor
Nach der Begrüßung durch Philippe Gröschel, Director Government Relations bei o2 Telefónica bat Katrin Bauerfeind, die charmant und locker durch die Veranstaltung führte, ihren prominenten Gast an den Küchentisch, an dem bekanntlich die besten Gespräche über das „wirklich“ Wichtige stattfinden. Das konnte Lauterbach bestätigen:
„Küchengespräche sind gefährlich, weil sie innoffiziell sind, aber sie sind auch sehr ehrlich und werden gepflegt.“
Das Versprechen des Formats, den Gast in entspannter Atmosphäre näher kennenzulernen, wurde anschließend vollauf erfüllt. Lauterbach schilderte, wie er aufgewachsen als klassisches Arbeiterkind vom Land es trotzdem ans Gymnasium und ins Studium schaffen konnte und wie ihm dabei sein Interesse an Mathematik und Physik geholfen haben.
So ein Aufstieg als Arbeiterkind sei heute wohl schwieriger als in den 1970er Jahren, weil Kinder für gute Noten mittlerweile stark auf die Unterstützung der Eltern angewiesen seien, wie Lauterbach betonte. Allerdings gelte dies nicht für Mädchen und Frauen, die es damals wesentlich schwerer gehabt hätten.
Von der CDU zur SPD
Lauterbachs schulischer Werdegang sei jedenfalls ohne großen elterlichen Druck erfolgt. Anders als beim Hobby Fußball, wo der Ehrgeiz des jungen Karl vom Vater befördert wurde. Am meisten Talent hätte er jedoch beim Tischtennis gezeigt, weshalb Lauterbach immer noch regelmäßig zur Kelle greife und auch eine Platte zum Üben im Ministerium bereitstehe.
Als eine gute Vorbereitung für das Amt des Gesundheitsministers hätten sich seine selbstgewählten Schwerpunkte der Medizin, Gesundheitsökonomie und Epidemiologie herausgestellt, die er bei den verschiedenen Studienabschlüssen auf dem Weg zum Professor gewählt hat. Er verriet zudem, dass er während des Studiums von einem Stipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung profitieren konnte und einige Jahre passives Mitglied der CDU war.
„Damals war ich noch konservativer als heute.“
Auf die Frage, was Lauterbach denn weg von der Union geführt habe, verwies er auf seine Auseinandersetzung mit der Gerechtigkeitsphilosophie von John Rawls während des Studiums an der Harvard Universität Anfang der 1990er Jahre sowie auf die erlebte Ungerechtigkeit im medizinischen System der USA. 2001 trat er schließlich der SPD bei und sitzt für sie seit 2005 im Bundestag. Bauerfeind wollte mit einem Augenzwinkern wissen, ob Lauterbach sich nochmal einer anderen Partei anschließen würde, z.B. wenn Oskar Lafontaine zu den Sozialdemokraten zurückkäme, oder ob er eine eigene Partei gründen könnte. Doch darauf wollte sich der erfahrene Politiker nicht einlassen:
„Ich bin mit der SPD sehr zufrieden und habe das auch nie bereut.“
Digitalisierung im Gesundheitswesen
Nach einem Abstecher ins Private und zu Lauterbachs „Flirttips“, da er sich vor kurzem mit seiner neuen Freundin in der Öffentlichkeit gezeigt hatte, ging es dann um Digital- und Gesundheitspolitik. Lauterbach, der als Wissenschaftler bereits viele Paper und Bücher publiziert hat, habe erst vor kurzem etwas über Digitalisierungsstrategien geschrieben, wie er deutlich machte.
Und auf die Frage, ob die Tech-Branche heute wichtiger sei als die Wissenschaft, hob der Gesundheitsminister die wichtige Rolle der letzteren hervor: Vieles, was die Tech-Unternehmen mittlerweile machen, sei nur möglich, weil wissenschaftliche Erkenntnisse dies ermöglichten. Als Beispiel nannte er die Entwicklungen im Bereich der Chatbots wie ChatGPT.
Mit Blick auf das Potenzial von Künstlicher Intelligenz im Gesundheitsbereich, zeigte sich Lauterbach zuversichtlich, dass KI die Medizin „komplett verändern“ wird, sowohl in der Forschung als auch bei der Behandlung von Patienten. In diesem Zusammenhang erläuterte er die Vorteile der elektronischen Patientenakte, etwa die Erklärung der eigenen Befunde und Behandlung.
„Wir werden dazu kommen, dass wir mit unseren eigenen Befunden und Daten in einen Dialog treten können, wo eine Intelligenz dahinter sitzt, die sehr beachtlich ist.“
Dies werde die Medizin insgesamt besser machen. Zugleich verwies er aber auch auf die Gefahren, die mit der KI-Revolution einhergehen können.
Entschlossen gegen Widerstände
Die naheliegende Frage, warum es bei der Digitalisierung in Deutschland bisher so langsam vorangehe, beantwortete Lauterbach mit Blick auf sein Ressort unter anderem damit, dass sich lange Zeit niemand für die Umsetzung von Projekten wie der elektronischen Patientenakte interessiert habe. In der Politik habe es da oft auch an „Nerds“ gefehlt, die sich mit der technischen Umsetzung solcher Vorhaben auseinandersetzen können.
Mittlerweile gebe es aber in vielen Bereichen eine Aufbruchsstimmung. Bei KI etwa sei Deutschland stark in der Grundlagenforschung. Lauterbach plädierte hier für eine kluge Förderung entsprechender Unternehmen, damit diese auch künftig international mithalten können.
Mit Blick auf die zentralen Vorhaben in seinem Ressort erläuterte der Gesundheitsminister die Notwendigkeit der geplanten Krankenhausreform („Wir haben im internationalen Vergleich zu viele Krankenhäuser“) sowie die Verabschiedung und Umsetzung mehrere Digitalisierungsgesetze. Zum Beispiel soll bald der digitale Klinikatlas für spezialisierte Krankenhäuser kommen, mit dem sich die Patient:innen besser informieren können. Allerdings gebe es speziell bei der Krankenhausreform viele Widerstände. Doch Lauterbach zeigte sich im Gespräch entschlossen die vorhandenen Probleme des Gesundheitswesens in Deutschland – wie zu wenige Fachärzte, schleppende Digitalisierung, Lieferengpässe bei Arzneimitteln – weiter anzugehen.
Für viele eine Reizfigur
Thema des Kitchen Talk war natürlich auch, wie der Gast mit Anfeindungen umgeht und warum sich so viele Menschen an ihm abarbeiten. Lauterbach betonte, dass er in der politischen Auseinandersetzung persönliche Anfeindungen ablehne und dass er angesichts vieler Morddrohungen gegen seine Person weniger ängstlich, aber vorsichtig sei. Auch wenn sein Alltag durch den notwendigen Schutz etwas eingeschränkt ist.
Zudem hätte er nie gedacht, dass seine privaten Essensgewohnheiten – Lauterbach ist seit 1988 Vegetarier und verzichtet auf Salz – irgendwann mal öffentlich diskutiert werden. Am Küchentisch im BASECAMP gab er aber zu, dass er ein Genussesser ist, auch wenn Restaurantbesuche durch den Fleisch- und Salzverzicht ein bisschen komplizierter wären. Wenn es ums selbst Kochen geht, sei Lauterbach leider um Lichtjahre vom Bundeskanzler entfernt, der vor kurzem zugab seinen Gästen auch mal Königsberger Klopse zu servieren.
Wie gut er sich selbst als Gesundheitsminister einschätzt, wollte Lauterbach jedoch nicht sagen, sondern antworte ganz diplomatisch:
„Das wird sich bei der nächsten Wahl zeigen“.
Es sei für ihn aber wichtiger, dass die zentralen Vorhaben seiner Amtszeit erfolgreich umgesetzt werden, als die Frage, wie man später einmal auf ihn blicken wird.
Hinweis: Nach diesem gelungenen Auftakt des neuen Kitchen Talk folgt am 26. März bereits die nächste Ausgabe, wenn Lauterbachs Kabinettskollege Robert Habeck bei uns Rede und Antwort stehen wird.