ARD und Co. im Zeitalter des Cloud-TV

Foto: CC-By-ND 2.0 Flickr User Fotografierenderpunk. Bildname: Regal-Romantik/ Ausschnitt bearbeitet
Veröffentlicht am 07.11.2016

Dienste wie Netflix und Co. gewinnen rasant an Popularität. Kein Wunder, wenn man drei Staffeln seiner Lieblingsserie ohne Unterbrechung oder Werbung hintereinander ansehen kann. Das sogenannte „Binge Watching“ ersetzt zunehmend das faule Wochenende vor dem Fernseher. Sender wie ARD und ZDF haben ihre Mediatheken allerdings noch nicht an diese neue Entwicklung angepasst. Schade eigentlich, denn wer würde nicht gerne einen gesamten Tag damit verbringen sich alte Tatort-Folgen anzugucken? Wie das Online-Angebot der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender fit für die neuen Sehgewohnheiten werden, erläutert jetzt das Gutachten „Legitimation und Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Zeiten der Cloud“ im Auftrag des ZDF.

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„Es ist den Zahlern des Rundfunkbeitrags nicht zu vermitteln, warum die mit den Rundfunkbeiträgen produzierten Sendungen nicht unabhängig von dem Sendetermin der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen sollen“,

stellen die drei Gutachter fest und sprechen damit vielen Beitragszahlern aus der Seele. Bislang werden die Fernsehprogramme von ARD und Co. nur sieben Tage in der jeweiligen Mediathek gespeichert. Dies steht im Gegensatz zu Netflix oder Amazon Video, die Cloud-Systeme benutzen, bei denen ein breites Angebot an Programmen für einen Zeitraum von mindestens dreißig Tagen jederzeit abrufbar zur Verfügung steht.

Von der Mediathek zur Plattform

Doch nicht nur die neuen Sehgewohnheiten der 14- bis 29-Jährigen zwingen die öffentlich-rechtlichen Sender zur Veränderung. Auch vor dem Hintergrund ihres Auftrags zur gesellschaftlichen Meinungsbildung und Integration ist sie laut Gutachten wichtig:

„Um eine Funktionserfüllung unter den Bedingungen einer Cloud-Medienwelt zu gewährleisten, muss das öffentlich-rechtliche Fernsehen seine Angebote verstärkt auf die neuen technischen Möglichkeiten und Nutzungserwartungen ausrichten.“

Die drei Gutachter nennen dafür mehrere Ansätze. Zum einen sollten die Sender ihre Mediatheken unabhängig vom linearen Programm ausbauen. Hierzu gehört auch die Abschaffung des siebentägigen Speicherungszeitraums. Ein möglichst vielfältiges Programm, das auch auf bestimmte Zielgruppen wie Jugendliche eingeht, halten die Gutachter ebenfalls für wichtig. Sie raten außerdem zur Weiterentwicklung der Mediatheken zu Plattformen, die dem Nutzer die Auswahl und Orientierung vereinfachen. Sie sollten nach Ansicht der Gutachter dort zudem die Möglichkeit bekommen, Kommentare zu hinterlassen, die verschiedenen Programme zu bewerten oder selber Listen von ihren favorisierten Sendungen oder Genres zu erstellen.

Der Weiterentwicklung der Online-Mediatheken stehen prinzipiell auch keine rechtlichen Normen im Weg. Das Unionsrecht hat sich bereits 2007 von sämtlichen Vorgaben gelöst und räumt den jeweiligen Mitgliedsländern der europäischen Union einen breiten Spielraum in der Entwicklung des Rundfunks im Internet ein. Auch auf Bundesebene gibt es keine Einwände, da verfassungsrechtlich nicht festgelegt ist ob die Pflicht zur Meinungsbildung und Integration auf lineare Weise, wie bei den Fernsehsendern, oder auf Abruf zur Verfügung gestellt werden soll.

Vorbild BBC

Der Breitbandausbau hat in Großbritannien schon früh zu einer Ausdifferenzierung des audiovisuellen Diensteangebots geführt. Die BBC hat sich daher bereits vor einiger Zeit an das Modell Netflix angepasst. Der BBC iPlayer ermöglicht den zeitversetzten Zugriff auf weite Teile des linearen Fernseh- und Radioprogramms. Wie derzeit in Deutschland standen die Sendungen auch bei der BBC zunächst nur sieben Tage zur Verfügung, inzwischen wurde die Frist auf 30 Tage erhöht. Darüber hinaus stellt die BBC häufig ganze Serien bereits vor der Ausstrahlung im linearen Fernsehen in den iPlayer und ermöglicht dadurch das beliebte Binge Watching. Einem Strategiepapier zur Folge plant die britische Rundfunkanstalt bereits die nächsten Ausbauschritte des Online-Angebots. So will sie künftig vor allem im Nachrichtenbereich zusätzlich eigenständige Inhalte speziell für den Online-Auftritt erstellen und löst damit ihr Online-Angebot – wie von den Gutachtern des ZDF empfohlen – vom linearen Programm.

 

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