Anhörung zur Verbandsklage im Datenschutzrecht
Das Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts (18/4631) ist am Mittwoch, 6. Mai 2015, Gegenstand der Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages. Sieben Sachverständige werden ihre Einschätzung zu dem Gesetzentwurf abgeben, den Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) Anfang Februar vorgestellt hatte. Durch das Gesetz sollen Verbraucherschutzverbände, aber auch Wirtschaftsverbände, Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern zukünftig die Möglichkeit haben, mit einer Unterlassungsklage gegen Unternehmen vorzugehen, die gegen das Datenschutzrecht verstoßen. Dies kann beispielsweise bei der unzulässigen kommerziellen Nutzung von Daten, der Weitergabe von Daten an Dritte oder beim Erstellen von Persönlichkeits- oder Nutzungsprofilen der Fall sein. Die geladenen Sachverständigen – darunter Juristen, Vertreter von Wirtschafts- und Verbraucherverbänden sowie Datenschutzorganisationen – kommen in der Beurteilung des Gesetzentwurfes zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Kritik an Verbandsklage von Inkassounternehmen und der Digitalen Wirtschaft
Prof. Dr. Ralf B. Abel, Rechtsanwalt und u.a. Verbandsbeauftragter für den Datenschutz des BDIU, vertritt die Ansicht, dass der Teil des Gesetzentwurfs zum Verbandsklagerecht sehr kritisch zu sehen ist. Er schieße über das gesetzgeberische Ziel, den Verbraucherschutz zu verbessern, weit hinaus. Konkret moniert der akkreditierte Sachverständige beim ULD Schleswig-Holstein und bei EuroPriSe, dass der Entwurf Datenschutzrecht und Verbraucherrecht vermische und die Kontrolle über nahezu die gesamte Datenverwendung von Unternehmen privatisiere. Zudem schaffe es Asymmetrien in gerichtlichen Verfahren und beseitige damit die prozessuale Waffengleichheit. Es begünstige die Rechtszersplitterung und führe damit zu Rechtsunsicherheit in Kernbereichen unternehmerischen Handelns. Die Entwicklung neuer und zukunftsgerichteter Geschäftsmodelle bei KMU und Start-ups im Bereich der digitalen Wirtschaft hält er dadurch für gefährdet, möglicherweise würden diese sogar verhindert. Sein Plädoyer: „Derart weitgehende Eingriffe in den Umgang mit Unternehmensinformationen dürfen von Verfassung wegen nicht der Interpretation und Wertung von Gerichten überlassen, sondern müssen weiterhin vom Gesetzgeber in praktischer Konkordanz mit den Grundrechten der betroffenen Unternehmen geregelt werden.“
Der Justiziar des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW), Michael Neubar, sieht die vorgeschlagene Ausweitung des Verbandsklagerechts auf Datenschutzverstöße ebenfalls sehr kritisch. Dagegen spreche neben rechtssystematischen und grundsätzlichen Erwägungen auch das Europarecht. Der Internetverband führt in seiner Stellungnahme aus, dass es keine gesetzlichen Schutzlücken gebe, die durch den Gesetzentwurf geschlossen werden müssten. Mit Blick auf die zu erwartende Zunahme an Heterogenität bei der Bewertung datenschutzrechtlicher Fragen von unterschiedlichen Rechtsinstanzen macht der BVDW den Vorschlag: „Statt diese absehbare und negative Entwicklung mit dem Verbandsklagerecht zu fördern, wäre aus Sicht der Wirtschaft eher eine verbesserte Ausstattung der bereits existierenden Datenschutzbehörden angezeigt mit dem Ziel, eine möglichst effektive Bewertung und Rechtsdurchsetzung durch diese zu gewährleisten.“ Europarechtlich stehe die derzeit geltende EU-Datenschutzrichtlinie der Ausweitung des Verbandsklagerechts entgegen. Diese weise die Überwachung datenschutzrechtlicher Vorschriften eindeutig öffentlichen Stellen zu. Auch mit der aktuell diskutierten Datenschutz-Grundverordnung der EU gehe der Gesetzesentwurf nicht konform. In der aktuellen Fassung des Rates sehe diese Vorschrift nämlich vor, dass Beschwerden oder gerichtliche Rechtsbehelfe von Verbänden nur im Namen und im Auftrag der Betroffenen wahrgenommen werden können.
Urheberrechtler und Verbraucherschütze begrüßen den Entwurf zur Verbandsklage
Der Wirtschaftsrechtswissenschaftler Prof. Dr. Gerald Spindler nimmt den Gesetzentwurf hingegen gegen viele Einwände von Kritikern in Schutz. Er ist der Ansicht, dass die Einführung des Verbandsklagerechts angesichts der sprunghaften Entwicklung in der Datenverarbeitung einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung des Datenschutzniveaus leisten könne. Die schon jetzt bestehenden Möglichkeiten einer zivilrechtlichen Klage auf Schadensersatz, Unterlassung etc. für den einzelnen Betroffenen reichten in der Praxis kaum aus, um auf zivilrechtlicher Ebene die Einhaltung des Datenschutzrechts durchzusetzen. Auch das Argument, dass eine Verbandsklage grundsätzlich nicht geeignet sei, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durchzusetzen, da dieses ein höchstpersönliches Recht sei und stets eine Interessenabwägung erfordere, verfängt seiner Einschätzung nach nicht. Eine Interessenabwägung könne durchaus auch in einer abstrakten bzw. generalisierenden Weise vorgenommen werden, z.B. wenn es um die Verletzung von Datenschutzvorschriften gehe, die nicht durch Interessen des verarbeitenden Unternehmens gerechtfertigt sind oder die jenseits von Einwilligungserklärungen durchgeführt werden.
Carola Elbrecht vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ist ebenfalls der Ansicht, dass der Gesetzentwurf zur besseren zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften in die richtige Richtung geht. In einigen Punkten sieht der Verbraucherschutzverband allerdings noch Klarstellungs- bzw. Nachbesserungsbedarf. So sei der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Nr. 11 UKlaG-E auf Sachverhalte beschränkt, bei denen die Verbraucherdaten zu kommerziellen Zwecken verwendet werden. Damit seien nicht alle für Verbraucher relevanten Bereiche des Datenschutzes abgedeckt, beispielsweise bei Datennutzung ohne jedweden (Werbe-) Zweck oder bei einer anlasslosen Datenspeicherung über einen längeren Zeitraum. Der vzbv fordert daher eine Klarstellung, dass in Zweifelsfällen eine gesetzliche Vermutung dafür sprechen solle, dass die Daten zu den in § 2 Abs. 2 Satz 1 UKlaG-E genannten Zwecken erhoben, verarbeitet oder genutzt werden und damit der Anwendungsbereich eröffnet ist. Der vzbv spricht sich außerdem dafür aus, den in § 1 UKlaG normierte Unterlassungsanspruch um § 305 BGB zu erweitern, um damit auch die Art der wirksamen Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu überprüfen und ggf. klagen zu können. Notwendig sei außerdem ein generelles Koppelungsverbot, wonach die Nutzung eines Dienstes nicht von der Einwilligung der Verbraucher zur Nutzung ihrer Daten – über das zur Diensterbringung notwendige Maß – abhängig gemacht werden darf.
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Nadine Brockmann ist als Analystin für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.