Andrew Keen: „Ich bin kein Schwarzseher, ich bin ein Kritiker“
„Ich bin kein Schwarzseher, ich bin ein Kritiker“, ließ der britisch-amerikanische Autor, Redner und Unternehmer Andrew Keen die Zuhörer gleich zu Beginn seiner Lesung im BASE_camp wissen. Keen ist einer der weltweit bekanntesten und kontroversesten Kritiker der Digitalen Revolution. Im Gespräch mit TV-Moderator Ali Aslan und Peter Rampling, Digitalexperte und Managing Director für das Consumer Business bei Telefónica Germany, erläuterte Keen die Thesen seines neuesten Buches „The Internet Is Not The Answer“ erstmals in Berlin.
„Die Revolution ist aus dem Ruder gelaufen“
Ausgangspunkt von Keens Buch ist seine Feststellung, dass außer einer kleinen Gruppe von Menschen im Silicon Valley kaum jemand von der Digitalen Revolution profitiert. „Das Internet mag einige Jobs geschaffen haben, aber mehr wurden zerstört“, hielt er Ali Aslan entgegen, der ihn mit den Thesen Joseph Schumpeters zur kreativen Zerstörung konfrontierte. „Jedes Unternehmen wird irgendwann durch etwas Neues ersetzt. Die Fehlannahme der Theoretiker war, dass die kreative Zerstörung mehr Arbeitsplätze schaffen würde.“ Beispielhaft stellte Andrew Keen Kodak und Instagram gegenüber. Kodak beschäftigte tausende Mitarbeiter um konkrete Produkte herzustellen führte er aus. Instagram dagegen beschäftige nur einen Bruchteil und das Produkt wird von den Kunden selbst erzeugt. An Unternehmen wie Amazon werde wiederum deutlich, welche negativen Folgen die Digitale Revolution auch für die Arbeitsbedingungen hat. Auch die Hoffnung auf ein „Global Village“ sieht Keen enttäuscht. „Es gab die Hoffnung, das Internet würde die Welt einen, aber das ist nicht passiert. Es hat neue Grenzen geschaffen und schlussendlich reflektiert das Internet die Grenzverläufe zwischen den Staaten.“
Sharing Economy
Hinzu komme, so Keen, dass Social Media oder die Sharing Economy nicht so positiv zu bewerten seien, wie ihr Ruf suggeriere: „In den sozialen Medien drehe sich alles um das Selbst“ und sie erzeugen Filterblasen, die die Menschen von einander separieren. An Uber und seinem Gründer, Travis Kalanick, würde wiederum deutlich, dass die Spieler der Sharing Economy rücksichtlos Gesetze missachten, um ihr Geschäftsmodell durchzusetzen und etablierte Unternehmen vom Markt zu drängen. Insgesamt resümierte Andrew Keen, hielten vermehrt überwunden geglaubte monopolistische Strukturen Einzug in die New Economy, mit negativen Folgen für Innovation, Produktqualität und Beschäftigung. „Ich sehe ein Wirtschaftsmodell, in dem den Siegern alles und den Verlierern nichts bleibt.“ Private Daten als Geschäftsmodell Seine Hauptkritik aber zielt insbesondere auf Unternehmen wie Google oder Facebook. „Ohne unsere Daten haben sie kein Geschäftsmodell. Diese Tatsache, ist das grundlegende Problem.“ Die Monetarisierung privater Daten steht für Keen in einem klaren Gegensatz zur Freiheit der Nutzer. In seinen Augen befindet sich die Menschen dadurch nicht auf dem Weg in eine transparentere und freiheitlichere Gesellschaft. Vielmehr wird von Unternehmen, wie von Staaten die Privatsphäre ausgehöhlt und eine flächendeckende Überwachung etabliert. Google, so Keen, „ist kein öffentlicher Dienst, sie haben sich nur diesen Anstrich verpasst“.
Welche Spielregeln brauchen wir?
Peter Rampling nahm Keens Argumente auf und thematisierte den generellen Umgang mit privaten Daten. So stellte er die Frage in den Raum, „wie schaffen wir es, dass die Menschen die Kontrolle behalten“? Den Ausgangspunkt einer Lösung für diese Herausforderung skizzierte er selbst: „In einer immer stärker vernetzten Welt, müssen wir die Möglichkeit haben, unsere Daten mitzunehmen“. Dies würde den Nutzern Wahlfreiheit einräumen und den Wettbewerb zwischen den Datenplattformen erhöhen. Auf die Nachfrage Ali Aslans, ob die Vorteile digitaler Dienste die Preisgabe von Daten wert, sei entgegnete Rampling: „wenn der Austausch gerecht ist, ja“. Ursache für die Probleme sind fehlende oder schlechte Regeln Einig waren sich Andrew Keen und Peter Rampling in der Analyse, dass ein Großteil der Probleme der Digitalen Revolution aus mangelnder oder schlechter Regulierung resultiert. „Wir erleben einen umfassenden Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft und die gegenwärtige Gesetzgebung führt zu schwierigen Bedingungen“, sagte Keen. Rampling schloss sich der Monopol-Kritik an und forderte eine gute Regulierung, die Wettbewerb befördert. Dass diese wohl überlegt sein muss, zeigte Keens Hinweis, dass erst das Vorgehen der USA und der EU gegen die Monopolstellung von Microsoft den erneuten Boom des Silicon Valley ermöglichte habe. Firmen wie Google und Facebook haben davon profitiert. Das Publikum interessierte dementsprechend auch, welchen Rat Keen der Politik in Berlin und Brüssel mit auf dem Weg geben würde. Neben einem strikten Wettbewerbsrecht und einem starken Datenschutz sprach sich dieser deutlich für ein Recht auf Vergessen aus. Peter Rampling fügte die Forderung hinzu, dass beim Datenschutz immer die Gesetze des Heimatstaates der Nutzer angewendet werden sollten – unabhängig davon, wo auf der Welt die Server für einen Dienst stünden.
„Wir haben es in der Hand“
Doch auch für Andrew Keen sind die digitale Revolution und das Internet nicht per se und aus sich selbst heraus schlecht. „Ich bin kein Schwarzseher, ich bin ein Kritiker“, ließ er seine Zuhörer wissen. Es gelte jedoch zu handeln. „Die nächsten 25 Jahre sind entscheidend“, da bis 2040 fast jeder Mensch auf der Welt Zugang zum Internet haben wird. Mit mehr guter Regulierung und einer stärkeren Kooperation der Vereinigten Staaten und Europas, ließen sich seiner Ansicht nach viele Fehlentwicklungen beheben. Am Ende aber, so Keen, haben wir uns mit Blick auf die fortschreitende Digitalisierung alle eine Frage zu beantworten: „Welche Zukunft wollen wir“?
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