Achter Altersbericht: Digitalisierung als Chance für das Leben im Alter

Foto: Till Budde
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Veröffentlicht am 21.08.2020

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Der Achte Altersbericht der Bundesregierung legt den Schwerpunkt auf die Folgen und Möglichkeiten der Digitalisierung für das Leben älterer Menschen. Der Grundtenor ist positiv. Digitale Technologien könnten älteren Menschen beispielsweise helfen, länger unabhängig in den eigenen vier Wänden zu wohnen. Dafür müssten aber auch einige Voraussetzungen erfüllt werden.

Die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten, das Leben im Alter selbstbestimmter zu gestalten und mehr soziale Teilhabe älterer Menschen zu verwirklichen. Das ist eines der zentralen Ergebnisse des Achten Altersberichts der Bundesregierung. Der Bericht untersucht, wie digitale Technologien das Leben älterer Menschen verändern und welchen Beitrag Digitalisierung und Technik zu einem guten Leben im Alter leisten können. Dabei werden verschiedene Lebensbereiche wie Wohnen, Gesundheit, Pflege und soziale Teilhabe in den Blick genommen und Empfehlungen an die Politik formuliert.

Der Bericht der Sachverständigenkommission war schon vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie fertiggestellt. Das Schwerpunktthema des aktuellen Berichts hat durch die Pandemie aber nochmals an Bedeutung gewonnen. „Viele ältere Menschen haben in der Zeit der Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen erkannt, welche Möglichkeiten digitale Kommunikations- und Informationstechnologien ihnen bieten und diese stärker als bisher für sich genutzt“, betont Bundesseniorenministerin Dr. Franziska Giffey (SPD) im Vorwort des Berichts.

Eine aktuelle Umfrage des Bitkom belegt zudem, dass sich die Einstellung von Senior*innen zum Thema Digitalisierung seit Beginn der Krise verbessert hat: Von den befragten Bundesbürger*innen ab 65 Jahren gaben 40 Prozent an, die Digitalisierung nun positiver zu sehen. 92 Prozent derjenigen, die das Internet nutzen, waren zudem positiv überrascht von den Möglichkeiten, die ihnen das Internet während der letzten Monate geboten hat.

Selbstbestimmung durch intelligente Assistenzsysteme

Digitale Technologien können Menschen sowohl im höheren Alter als auch bei Pflegebedürftigkeit dabei unterstützen, sicher und selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden zu leben, sind die Autoren des Altersberichts überzeugt. Sei es eine sprachgesteuerte Haustechnik samt Beleuchtung oder eine automatisierte Sturzkennung mittels Sensorik: Technische Assistenzsysteme und Smart Home-Technologien tragen zu mehr Sicherheit und Barrierefreiheit im eigenen Zuhause bei.

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Foto: CC0 1.0, Pixabay / mohamed_hassan / Ausschnitt bearbeitet

Ein weiterer, entscheidender Faktor für die Lebensqualität ist Mobilität: Soziale Kontakte pflegen, Arzttermine wahrnehmen oder einfach nur außerhalb der Wohnung unterwegs sein. Digitale Technologien schaffen auch hier einen Mehrwert für Menschen, deren individuelle Mobilität mit zunehmenden Alter eingeschränkt ist. Die Angebotspalette reicht von Mobilitäts–Apps, die eine barrierefreie Fortbewegung ermöglichen sollen, bis hin zu Technologien wie robotischen Exoskeletten, mit deren Hilfe Menschen mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit unterstützt werden können. Diese werden bereits in einigen Kliniken zu therapeutischen Zwecken genutzt.

In den Bereichen Gesundheit und Pflege eröffnen sich besonders viele Chancen durch den Einsatz digitaler Technologien. Telemedizinische Anwendungen wie virtuelle Arztbesuche schaffen für Menschen mit eingeschränkter Bewegungsfähigkeit Abhilfe, während Monitoring-Apps den Umgang mit einer chronischen Krankheit erleichtern können. Die pflegerische Versorgung kann darüber hinaus durch verbaute Sensorik zur Vitaldatenmessung und automatischer Notfallerkennung verbessert werden.

Nennenswert sind dabei auch Systeme zur gesundheitlichen Prävention, die älteren Menschen Aufschluss über ihre körperliche Aktivität geben – und damit einen Anreiz setzen, sich mehr zu bewegen, um die eigene Fitness und Bewegungsfähigkeit zu erhalten. Im Ergebnis, schreibt die Kommission, könnten „digitale Anwendungen im Gesundheitssystem die konventionelle Patientenversorgung sinnvoll ergänzen und verbessern, Versorgungslücken kompensieren und zu einer Einsparung von Gesundheitskosten beitragen“.

Digitale Teilhabe entscheidend

Um die Potenziale digitaler Technologien heben zu können, müssen ältere Menschen allerdings Zugang zum Internet und zu digitalen Technologien haben und diese auch kompetent bedienen können. Diese Voraussetzungen sind längst nicht in allen Fällen gegeben. Die Autoren des Altersberichts sprechen sich deshalb dafür aus, bestehende Beratungsangebote zur Vermittlung digitaler Kompetenzen und zu Assistenzsystemen zu „professionalisieren“. Außerdem raten sie dazu, deren inhaltliche und didaktische Qualität abzusichern. Flankierend müsse der Gesetzgeber aber auch dafür sorgen, dass die Nutzung von digitalen Technologien transparent und sicher möglich ist – beispielsweise über den Daten- und Verbraucherschutz. Um die digitale Teilhabe älterer Menschen zu sichern, fordert die Kommission zudem, Privatwohnungen, Einrichtungen des betreuten Wohnens sowie Bewohnerzimmer in der stationären Pflege mit Internetanschlüssen auszustatten. Ältere Menschen mit geringen Einkommen sollten zudem soziale Unterstützungsleistungen zum Erwerb digitaler Technik erhalten.

Foto: CC0 1.0, Pixabay User congerdesign | Ausschnitt angepasst

Wie groß die demografische Lücke bei der Internetnutzung ist, belegen aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Demnach nutzen nur 69 Prozent der Menschen im Alter von 65 und darüber hinaus das Internet. Die Stiftung Digitale Chancen hat es sich zur Aufgabe gemacht, die gesellschaftlichen Folgen der Digitalisierung zu erforschen, sich für den chancengleichen Zugang aller Menschen zum Internet einzusetzen und ihre Medienkompetenz zu stärken.

Verschiedene Unterstützungsangebote gefragt

Vorstandsmitglied Prof. Dr. Herbert Kubicek von der Universität Bremen weist in seiner Stellungnahme an die Sachverständigenkommission darauf hin, dass die Hürden für die Nutzung digitaler Technologien durch ältere Menschen vielschichtig sind. So würden viele einen Bedarf sehen, sich den Umgang mit der Technologie aber nicht zutrauen. Anderen fehlten schlicht die finanziellen Mittel. Darüber hinaus könnten viele Menschen mit körperlicher oder geistiger Einschränkung entsprechende Lernangebote in Alteneinrichtungen nicht wahrnehmen. Einige seien auch nicht in der Lage, das Internet allein zu nutzen.

„Wir reden über sieben Millionen Menschen ab 70, die noch nie im Internet waren. Manchen reicht ein Trainingsangebot, andere brauchen eine dauerhafte Assistenz“, betont Kubicek. Notwendig sei daher eine breite Palette an Unterstützungsangeboten, die den verschiedenen Lebenssituationen der älteren Menschen gerecht werden. Kubicek und die Stiftung haben die Bundesregierung daher zu Beginn der Legislaturperiode unter anderem aufgefordert, ein begleitetes Tablet-Ausleihprogramm für Seniorentreffs und Wohneinrichtungen aufzulegen – ähnlich wie aktuell bei den Schulen.

Ein solches Programm betreiben Telefónica Deutschland und die Stiftung Digitale Chancen seit 2012 selbst und haben damit positive Erfahrungen gemacht. O2 stellt für acht Wochen Tablet PCs mit einer Internetflatrate kostenfrei für Einrichtungen für Senior*innen zur Verfügung. Die Teilnehmenden können die Geräte und das Internet durchgehend in ihrem Alltag nutzen. Sie werden von Haupt- oder Ehrenamtlichen aus den Einrichtungen während der gesamten Dauer unterstützt. Im Anschluss an die Projektdauer verbleiben ein bis zwei Geräte in der Einrichtung. Die Stiftung Digitale Chancen betreut das Projekt und bietet den teilnehmenden Einrichtungen während der acht Wochen Unterstützung bei der inhaltlichen Planung und Durchführung von Begleitangeboten.

Mit Beginn der Corona-Pandemie haben Telefónica und die Stiftung Digitale Chancen ihr Engagement noch einmal ausgeweitet und ein kostenloses „digitales Care-Paket“ aufgelegt. In dessen Rahmen werden ebenfalls Leihgeräte bereitgestellt und Begleitangebote gemacht. Darüber hinaus wurden jedoch mehrere Lernangebote für Senior*innen entwickelt. Die Videoreihe „Digital(es) einfach erklärt“ führt Nutzer*innen in den Gebrauch von Suchmaschinen, Handy-Betriebssystemen und Videoplattformen ein. Der Podcast „Digital Mobil im Alter“ mit RBB-Moderator Daniel Finger informierte sechs Wochen lang zu den wichtigsten Themen rund um die Anwendung digitaler Technologien in der Krise. Ergänzend wurden aber Schulungen in Seniorenheimen ermöglicht. Dabei ging es um die Inbetriebnahme von Geräten, mögliche Fehlerquellen bei der Nutzung und sinnvolle Einstellungen für die Cybersicherheit sowie den Schutz der Privatsphäre.

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