Trusted Flagger: Wächter des Internets oder neue Zensurbehörde?
Wie können illegale Inhalte auf digitalen Plattformen möglichst effizient entdeckt und an die Betreiber gemeldet werden? In der EU gibt es dafür mittlerweile Trusted Flagger, deren Einführung in Deutschland aber auch eine politische Debatte über Meinungsfreiheit ausgelöst hat. Was es damit auf sich hat, fassen wir hier zusammen.
Im digitalen Zeitalter, in dem Informationen in Lichtgeschwindigkeit verbreitet werden, ist der Umgang mit illegalen Inhalten eine große Herausforderung. Um dieser gerecht zu werden und ein sichereres Online-Umfeld zu schaffen, hat die EU den Digital Services Act (DSA) eingeführt. Eine zentrale Rolle spielen dabei die sogenannten Trusted Flagger, die als „vertrauenswürdige Hinweisgeber“ den digitalen Plattformen bei der Umsetzung der DSA-Vorgaben helfen sollen.
Meldung und schnellere Bearbeitung illegaler Inhalte
Aufgabe der Trusted Flagger ist es, potenziell illegale Inhalte auf großen Online-Plattformen wie Facebook, TikTok oder Amazon zu melden. Dabei handelt es sich nicht nur um volksverhetzende Inhalte oder Beleidigungen, sondern auch um Vergehen wie die Verbreitung von Darstellungen sexuellen Missbrauchs, von gefälschten Produkten oder Verstöße gegen das Urheberrecht.
Entscheidend ist, dass die Trusted Flagger nicht selbst darüber richten, welche Inhalte entfernt werden sollen. Sie melden diese nur und überlassen das endgültige Urteil den Plattformen, die gemäß den geltenden Gesetzen handeln müssen. Der Status als Trusted Flagger, den unabhängige Organisationen von nationalen Behörden erhalten, ermöglicht es jedoch, dass ihre Meldungen priorisiert bearbeitet werden, was die Effizienz im Umgang mit problematischen Inhalten erhöhen soll.
Warum diese Lösung gewählt wurde
Das Konzept der Trusted Flagger ist keine neue Idee. Viele Plattformen arbeiten schon lange mit spezialisierten Organisationen zusammen, um komplexe Moderationsentscheidungen besser treffen zu können. Der DSA institutionalisiert und standardisiert diese Zusammenarbeit und legt hohe Anforderungen an die Vertrauenswürdigkeit und Kompetenz dieser Hinweisgeber. Ziel ist es, ein System zu schaffen, das:
- Illegale Inhalte schneller entfernt, ohne dass Nutzer:innen auf bürokratische Hürden stoßen.
- Transparenz und Objektivität sicherstellt, indem Trusted Flagger jährlich Bericht erstatten und überprüft werden.
- Missbrauch vorbeugt, indem Mechanismen für Beschwerden und gerichtliche Überprüfungen eingeführt wurden.
Für Deutschland wurde mit der baden-württembergischen Meldestelle „REspect!“ Anfang Oktober erstmals ein Trusted Flagger durch die Bundesnetzagentur zugelassen, der sich auf die Meldung von strafbaren Online-Inhalten spezialisiert hat und solche bereits seit zwei Jahren ans BKA meldet.
Emotionale politische Diskussion
Doch dies stieß hierzulande anschließend auf heftige Kritik, insbesondere aus rechten, konservativen und liberalen Kreisen. Begriffe wie „Netzdenunzianten“ (Stephan Brandner, AfD) und „grüne Zensuranstalt“ (Wolfgang Kubicki, FDP) machten dabei die Runde. Beklagt wurde eine mögliche Einschränkung der Meinungsfreiheit und dass unter dem Deckmantel der Gesetzestreue unliebsame politische Meinungen entfernt werden könnten. Dabei spielten allerdings parteipolitische Frontstellungen und mediale Skandalisierung eine unübersehbare Rolle. Es gab aber auch Beiträge wie von der Europaabgeordneten Svenja Hahn (FDP) oder der Digitalpolitikerin Tabea Rößner (Grüne), die versuchten, das Ganze sachlich einzuordnen.
Ein Hauptauslöser der Debatte war nämlich eine ungenaue Pressemitteilung der Bundesnetzagentur, die suggerierte, dass auch „Hass und Fake News“ schnell entfernt werden könnten. Da solche Inhalte jedoch nicht per se rechtswidrig sind, entstand der Eindruck, Trusted Flagger könnten willkürlich entsprechende Äußerungen zensieren. Die Pressemitteilung wurde dann korrigiert und die Bundesnetzagentur stellte klar: Plattformen entscheiden weiterhin selbst über die Löschung von Inhalten und der rechtliche Rahmen verhindere eine „willkürliche Zensur“.
Zensur oder notwendiger Schutz?
Die Debatte zeigt aber ein grundlegendes Spannungsfeld im Umgang mit Meinungsfreiheit im digitalen Raum. Einerseits gibt es berechtigte Sorgen, dass staatlich regulierte Strukturen übergriffig werden könnten. Andererseits stellt der DSA ein System dar, das die Verantwortung zwischen Plattformen, unabhängigen Organisationen und der Justiz aufteilt.
Trusted Flagger sind in diesem System ein wichtiger Bestandteil zur Regulierung von Inhalten im Netz. Sie sind weder Zensurbehörden noch Allheilmittel. Stattdessen stehen sie für einen pragmatischen Ansatz, um die Flut an problematischen Inhalten besser zu bewältigen. Die politische Debatte zeigt jedoch, wie polarisiert die Wahrnehmung neuer digitaler Instrumente ist – oft mehr von Emotionen und Ideologien geprägt als von Fakten. Das Ziel sollte jedoch sein, die Umsetzung des DSA kritisch zu begleiten, ohne dabei die Vorteile eines faireren und transparenteren Internets aus den Augen zu verlieren.
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