KI verstehen: Was ist Green AI?
Künstliche Intelligenz begeistert mit ihren Möglichkeiten, stellt uns aber auch vor vielfältige gesellschaftliche Herausforderungen. Eine davon ist der ökologische Fußabdruck der Technologie. Das Konzept der Green AI – einer umweltfreundlichen, ressourcenschonenden KI – rückt daher immer mehr in den Fokus. Doch was genau ist Green AI, warum ist sie wichtig, und wie kann sie konkret umgesetzt werden?
Die Diskussion über die Auswirkungen der Digitalisierung auf Klima und Umwelt läuft bereits seit längerem auf Hochtouren. Zum Beispiel betonte eine Studie des Bitkom in diesem Jahr, dass digitale Technologien wesentlich dazu beitragen könnten, den jährlichen CO2-Ausstoß in Deutschland zu verringern. Dem widersprach daraufhin das Umweltbundesamt und verwies auf die ungesicherte Datenbasis hinsichtlich der CO2-Emmissionen und des Einsparpotenzials durch digitale Infrastrukturen.
Großer Ressourcenverbrauch
Der Boom bei der Entwicklung von KI befeuert diese Debatte nun zusätzlich, da Anwendungen wie ChatGPT oder selbstfahrende Autos, einen enormen Ressourcenhunger haben. Denn um leistungsstarke KI-Modelle mit riesigen Datenmengen trainieren und betreiben zu können, sind massive Datenzentren nötig. Der Energiebedarf solcher Zentren wird laut Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) in den nächsten Jahren dramatisch steigen – potenziell auf das Niveau des gesamten Stromverbrauchs in Japan. Wenn dieser Bedarf vor allem mit fossilen Energien gedeckt wird, führt dies zu höheren CO₂-Emissionen. Und wenn er mit erneuerbaren Energien gedeckt wird, könnte diese neue Nachfrage womöglich die Bedarfe anderer Branchen verdrängen.
Besonders Deep-Learning-Modelle sind wahre Ressourcenfresser: Seit 2013 ist der Rechenaufwand für solche Modelle bereits um das 300.000-fache gestiegen. Hinzu kommt der Verbrauch großer Mengen Wasser für die Kühlung der Datenzentren sowie der oft umweltschädliche Abbau von seltenen Erden, die zur Herstellung von Chips und Hardware benötigt werden. Um dabei einmal die Größenordnung des Bedarfs klarzumachen: Seit 2012 hat die Zahl der Datenzentren weltweit von 500.000 auf 8 Millionen zugenommen.
Wie kann KI zum Klima- und Umweltschutz beitragen?
Gleichzeitig bietet KI aber auch enorme Chancen, den Klimaschutz zu unterstützen, etwa durch effizientere Energieplanung oder die Entwicklung umweltfreundlicher Materialien. So können KI-gestützte Systeme Stromnetze optimieren, Verluste darin reduzieren und die Integration von Wind- und Solarenergie fördern. Auf der Verbrauchsseite können zudem smarte Messsysteme den Energieverbrauch verringern.
In der Industrie trägt KI dazu bei, weniger Material zu verbrauchen, effizienter zu produzieren und CO₂-intensive Prozesse zu reduzieren. Beim Umweltschutz hilft KI etwa bei der Überwachung von Methanemissionen bei der Kartierung von Entwaldung oder dem Schutz gefährdeter Tierarten, während Start-ups KI-Lösungen entwickeln, um etwa Plastikverschmutzung in Ozeanen zu reduzieren oder den Artenschutz zu unterstützen. KI kann also durchaus als Hilfsmittel für mehr Nachhaltigkeit dienen, ist allerdings kein Allheilmittel.
Green AI als Ziel
Der noch ziemlich junge Begriff „Green AI“ versucht zum einen, dieses Potenzial der Technologie zu benennen und ins Bewusstsein zu rücken – also die Nutzung von KI für den Wandel zu mehr Nachhaltigkeit sowie für den Klima-, Umwelt- und Artenschutz („green-by AI“). Zum anderen geht es auch darum, die Entwicklung und den Einsatz von KI selbst nachhaltiger zu gestalten, insbesondere indem Rechenzeit, Energie, Rohstoffe und andere Ressourcen gespart werden („green-in AI“).
Dazu gehören zum Beispiel energieeffiziente Algorithmen, die weniger Rechenleistung benötigen und Strom sparen, der Einsatz erneuerbarer Energien in den Datenzentren sowie der bewusste Einsatz von KI – also die Überlegung bei den Nutzer:innen, ob KI bei einer Aufgabe wirklich nötig ist oder ob es Alternativen gibt. Auch spielt hier die soziale Nachhaltigkeit eine Rolle, etwa bezüglich des Diebstahls von geistigem Eigentum und der Ausbeutung von Arbeitnehmer:innen beim Training von KI-Modellen.
Eine herausfordernde Aufgabe
Dafür braucht es eine Sensibilisierung für das Thema Green AI sowohl bei den Entwickler:innen von KI als auch der Öffentlichkeit und Politik. Denn momentan fehlt es noch an klaren Standards für die Offenlegung der ökologischen Kosten von KI. Zugleich können die mit KI-Einsatz erzielten Effizienzgewinne durch eine gesteigerte Nutzung schnell wieder aufgefressen werden. Derzeit laufen wir Gefahr, neue Nachhaltigkeitsprobleme zu schaffen, da wir in Summe tendenziell eher nur die Vorteile wahrnehmen anstatt eine differenzierte Sichtweise einzunehmen.
Green AI erfordert daher eine enge Verzahnung von KI-Entwicklung und Klimapolitik. Unternehmen, Regierungen und Forschende müssen zusammenarbeiten, um klare Standards und Anreize zu schaffen. Ein Beispiel in Deutschland ist der Green-AI Hub Mittelstand, mit dem das Bundesministerium für Umwelt kleinen und mittleren Unternehmen die Vorteile von KI bei der Ressourceneffizienz näherbringen möchte.
Klar ist: KI ist weder per se Klimaretter noch Umweltzerstörer. Ihr Einfluss hängt davon ab, wie wir sie gestalten und nutzen. Green AI bietet einen Weg, das Beste aus der Technologie herauszuholen – mit klugen Regeln, Innovationen und einer bewussten Nutzung für eine nachhaltige Zukunft.