Digitale Identität: Nächster Schritt mit dem EUDI-Wallet

Credit: iStock/anyaberkut
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Veröffentlicht am 15.11.2024

Das digitale Ausweisen der eigenen Identität gehört in unserer zunehmend vernetzten Welt für immer mehr Menschen zum Alltag, um sicher diverse Online-Dienste nutzen zu können. Künftig soll dies in der EU mithilfe einer digitalen Brieftasche noch einfacher möglich sein. Was es damit auf sich hat, wie weit die Entwicklung ist und welche Möglichkeiten des elektronischen Identitätsnachweises es in Deutschland bereits gibt, fassen wir hier zusammen.

Das Ende der Ampel-Koalition und das Fehlen einer stabilen Mehrheit im Bundestag für die nächsten drei Monate sorgt dafür, dass viele digitalpolitisch relevante Vorhaben nun erstmal auf Eis liegen. Das gilt allerdings nicht für einige zentrale Projekte im Bereich der elektronischen Identität. Dabei handelt es sich um eine besondere Form der digitalen Identität, die von staatlichen Stellen ausgestellt wird und eine rechtlich anerkannte Identifikation sowohl in der analogen als auch in der Online-Welt ermöglicht.

Start der elektronischen Patientenakte

Ein Beispiel für solche anerkannten Identifikationen ist die elektronische Gesundheitskarte, die bereits seit 2011 an alle gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland ausgegeben wird. Nach der verbindlichen Einführung des E-Rezepts zum Jahresbeginn 2024 folgt im Gesundheitsbereich in den nächsten Monaten ein weiterer Schritt der Digitalisierung: Mit der bundesweiten Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) steht ein seit längerem vorangetriebenes Projekt digitaler Identitäten vor dem Abschluss.

Foto: iStock / ipopba

Aktuell läuft hierzu eine Informationsphase, bevor die ePA am 15. Januar 2025 für alle gesetzlich Versicherten startet, die der Nutzung nicht per Opt-out-Verfahren widersprechen. Nach einem Rollout in zwei Modellregionen soll sie ab März deutschlandweit nutzbar sein. Das bedeutet zunächst, dass Medikationslisten sowie Arzt- und Befundberichte in der ePA einsehbar sind, später sollen noch der digitale Medikationsprozess (ab Sommer 2025) und Laborbefunde (ab Anfang 2026) dazukommen.

Vom Online-Perso zur digitalen Brieftasche

Bereits seit 2010 gibt es den optionalen Personalausweis mit Online-Ausweisfunktion, der es ermöglicht, die eigene Identität bei Behördengängen und geschäftlichen Angelegenheiten einfach und schnell im Internet oder an Automaten nachzuweisen. Die Nachfrage bei den Bürger:innen war zunächst nur gering, seit einigen Jahren steigen jedoch die Nutzungszahlen stetig an: Waren es 2020 erst 2,3 Millionen erfolgreiche Transaktionen mit dem Online-Ausweis, betrug die Zahl im Jahr 2023 bereits 14,5 Millionen. Für die Identifizierung bei Online-Anträgen, zum Beispiel fürs Elterngeld oder die digitale Baugenehmigung gibt es zudem die BundID, die momentan von mehr als vier Millionen Menschen in Deutschland genutzt wird.

Diese und weitere wichtige Konten, aber auch Dokumente wie der Führerschein, sollen künftig in der digitalen Brieftasche gespeichert werden können. Das sieht die überarbeitete „Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt“ (eIDAS) der Europäischen Union vor, die im Mai 2024 in Kraft trat.

Sie verpflichtet alle EU-Mitgliedstaaten, bis 2027 ein sogenanntes European Digital Identity (EUDI)-Wallet bereitzustellen, das perspektivisch für eine ganze Reihe von Anwendungen nutzbar sein soll: digitale Dokumente speichern (z.B. Personalausweis, Führerschein), Bankkonto eröffnen, SIM-Karte registrieren, Verträge elektronisch unterschreiben, elektronische Gesundheitsdienste, digitale Zahlungen, Identität beim Online-Shopping nachweisen, Steuererklärung abgeben, an einer Hochschule einschreiben, Reisetickets zentral verwalten oder ein Auto am Flughafen anmieten. Die Nutzung des Wallets wird zudem kostenlos und nicht verpflichtend sein.

Ein staatliches EUDI-Wallet aus Deutschland

Geplant ist, dass das Wallet per App auf dem Smartphone installiert und mit speziell gesicherten Zugriffsschranken abgesichert wird, damit nur der oder die Berechtigte Zugriff hat. Dokumente, die anschließend in das Wallet geladen werden, werden verschlüsselt und speziell gesichert auf dem Smartphone gespeichert, damit keine Unbefugten Zugriff erhalten können, etwa wenn das Smartphone abhandenkommen sollte. Die Identitätsnachweise werden beim Abspeichern im Wallet außerdem einmalig von einer unabhängigen staatlichen Stelle geprüft.

Foto: Unsplash User Tetiana SHYSHKINA| Ausschnitt bearbeitet

Um diesen Vorgaben gerecht zu werden, hat die Bundesregierung Ende September entschieden, eine staatliche digitale Brieftasche für das Smartphone zu entwickeln, mit der sich die Bürger:innen künftig EU-weit digital ausweisen können. Der Funktionsumfang dieses staatlichen EUDI-Wallets soll bis 2027 kontinuierlich erweitert werden. Um Wahlfreiheit zu gewährleisten, soll es aber auch Unternehmen, Stiftungen oder Forschungseinrichtungen möglich sein, eigene EUDI-Wallets zu entwickeln und in Deutschland anerkennen zu lassen.

Per Innovationswettbewerb zum Ziel

Zuvor startete die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) im Auftrag des Bundesinnenministeriums und unter Beteiligung des BSI bereits im April einen dreizehnmonatigen Innovationswettbewerb, um als Teil des von der EU vorgesehenen Architektur- & Konsultationsprozesses Prototypen für das EUDI-Wallet zu entwickeln. Dazu sollen die teilnehmenden Teams aus Hochschulen, Start-ups und etablierten Technologieunternehmen die vertrauenswürdigsten, nutzerfreundlichsten und universell einsetzbarsten Prototypen entwerfen und erproben. Aktuell läuft von November 2024 bis Juni 2025 die letzte der drei Wettbewerbsphasen.

Die im Rahmen des Innovationswettbewerbs erarbeiteten Prototypen werden außerdem bereits im Entwicklungsprozess dem europäischen Pilotprojekt POTENTIAL zur Verfügung gestellt, um Anwendungsfälle auf Interoperabilität zu testen, damit die europaweite Nutzbarkeit der EUDI-Wallets gewährleistet ist.

Erste Ergebnisse für die Öffentlichkeit könnten also in der zweiten Jahreshälfte 2025 vorliegen, bevor spätestens 2026 der Rollout für die verschiedenen App-Angebote digitaler Brieftaschen erfolgen muss. Wir dürfen gespannt sein, ob die anvisierten Ziele einer einfachen und sicheren elektronischen Identität dann erreicht werden.

Event-Hinweis:

Am 20. November diskutieren wir bei der BASECAMP_Debate mit Hagen-Joachim Saxowski (Referatsleiter Digitale Identitäten im BMI), Torsten Lodderstedt (Lead Architect des EUDI-Projects bei SPRIND) und Christiane Fritsch (Tribe Lead Digital Leadership ING Deutschland & Vizepräsidentin bei D21) über die Zukunft der digitalen Identitäten in Deutschland.
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