Digitale Bildung: Rückkehr zum analogen Unterricht?

Foto: GettyImages/Wavebreakmedia
Foto: GettyImages/Wavebreakmedia
Veröffentlicht am 02.10.2024

Die Debatte um den Einsatz digitaler Geräte in der Schule hat zuletzt wieder an Fahrt aufgenommen: Sollten Tablets und Laptops verstärkt im Unterricht eingesetzt oder private Smartphones sogar verboten werden? Wir geben einen Überblick, warum darüber diskutiert wird und weshalb letztlich die Vermittlung digitaler Medienkompetenz im Fokus stehen sollte.

Seit einiger Zeit wird verstärkt darüber diskutiert, ob der Einsatz digitaler Geräte an Deutschlands Schulen sinnvoll ist. Dabei wird hinterfragt, ob mehr Tablets und Laptops im Unterricht dem Nachwuchs tatsächlich helfen und den Lernprozess fördern oder ob zumindest private Smartphones an den Schulen wie in einigen anderen europäischen Ländern verboten werden sollten.

Die kontroverse Diskussion um digitale Geräte

Diese Debatten haben verschiedene Anlässe: So forderte die Gesellschaft für Bildung und Wissen bereits vergangenen November einen Digitalisierungsstopp an Schulen und Kitas aufgrund der negativen Nebenwirkungen steigender Bildschirmzeit. Auch Finnland und Schweden, lange als Vorzeigeländer der digitalen Bildung betrachtet, setzen inzwischen wieder verstärkt auf gedruckte Schulbücher. In Nordrhein-Westfalen gibt es außerdem Bestrebungen der Schulleitungen, Smartwatches aus dem Unterricht zu verbannen.

Girl-touching-virtual-world-map-Getty-Images-Image-Source-720x720-Quadrat.
Foto: ImgaeSource/GettyImages

Diese Entwicklungen könnten den Eindruck erwecken, dass die Rückkehr zum analogen Schulbuch bevorsteht und digitaler Bildung künftig eine geringere Priorität eingeräumt wird. Doch die Diskussionen sind komplexer, als sie auf den ersten Blick erscheinen, da sie verschiedene Aspekte der digitalen Bildung berühren.

Das Smartphone-Dilemma

Ein konkreter Streitpunkt ist das Verbot von Smartphones an Schulen: So legt eine aktuelle Untersuchung nahe, dass sich ohne Smartphones das soziale Wohlbefinden und die Lernleistung der Schüler:innen verbessern, weil weniger Ablenkung und Cybermobbing stattfinden. Zugleich sind aber auch Aspekte wie die freie Persönlichkeitsentfaltung und das Eigentumsrecht der jungen Menschen zu beachten sowie die Frage, wie ein Verbot kontrolliert und durchgesetzt werden soll. Der Deutsche Lehrerverband hatte sich deshalb zuletzt gegen ein generelles Handyverbot an Schulen ausgesprochen.

Hinzu kommt, dass der Umgang mit Handys und anderen digitalen Geräten nun mal eine gesellschaftliche Realität ist, auf die die Schüler:innen im Idealfall vorbereitet werden sollten – zum Beispiel durch die Verwendung von Tablets und Laptops. Aus Sicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ist der Einsatz digitaler Geräte daher nicht grundsätzlich abzulehnen. Digitale Geräte seien im Unterricht weder ein Grundübel noch ein Allheilmittel.

Die Forscher der erwähnten Smartphone-Studie betonen, dass es nicht um ein komplettes Verbot gehen sollte. Private Smartphones sollten nur mit pädagogischer Begleitung aus den Schulen verbannt werden, damit die Kinder gerade in den Pausen wieder mehr miteinander interagieren. Im Unterricht selbst sollte jedoch der Umgang mit digitalen Medien wie etwa Schultablets und die sinnvolle Nutzung durchaus geübt werden.

Deutschlands Nachholbedarf bei der digitalen Bildung

Dies ist mit Blick auf die enormen Potenziale der Digitalisierung sowie die gesellschaftlichen Herausforderungen durch Social Media, Desinformation und Künstliche Intelligenz auch dringend notwendig.

Doch der Stand der digitalen Bildung in Deutschland ist alles andere als vorbildlich: Diverse Studien oder ein Gutachten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz zeigen: Deutsche Schulen waren lange Zeit nur unzureichend mit digitaler Infrastruktur ausgestattet und viele Lehrkräfte fühlen sich nicht ausreichend auf den Einsatz digitaler Technik vorbereitet.

Auf politischer Ebene wurde in den vergangenen Jahren zwar versucht, mit dem Digitalpakt Schule Abhilfe zu schaffen, doch dessen Weiterführung lässt momentan weiter auf sich warten. Auch durch die vom Bund initiierte Nationale Bildungsplattform wird es kaum Fortschritte bei der digitalen Bildung geben, da ihre Vernetzung mit den Schulen an den föderalen Zuständigkeiten in der Bildungspolitik zu scheitern droht.

Medienkompetenz als Schlüssel

Dabei sind die Baustellen weiterhin vorhanden: Anfang des Jahres hatten laut einer Umfrage zehn Prozent der Schulen noch keine Klassensätze mit digitalen Geräten, wie der Spiegel berichtet. Währenddessen nehmen die Lehrkräfte in Berlin die Digitalisierung als Belastung wahr, wie eine Studie der Universität Göttingen zeigte: Es gebe zwar eine hohe Bereitschaft für mediengestützten Unterricht, es fehle aber an Vorbereitungszeit für den Einsatz der digitalen Medien.

Foto: iStock / Drazen Zigic

Dies ist umso gravierender, da es doch gerade auf eine adäquate Vermittlung durch die Lehrkräfte ankommt. Denn die Digitalisierung der Bildung beinhaltet mehr als die reine Bereitstellung von Computern und Tablets: Es sollte eine interaktive, engagierte und personalisierte Lernumgebung geschaffen werden, die traditionelle Lehrmethoden ergänzt und erweitert. “Mehr Medienkompetenz statt mehr digitale Geräte” sollte deshalb das Motto sein.

Dies haben auch Akteure aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft erkannt und versuchen, die Vermittlung von (digitaler) Medienkompetenz mit eigenen Angeboten zu unterstützen. Eine Übersicht über entsprechende Initiativen bieten etwa das Bundesfamilienministerium oder die Medienanstalten der Länder.

Ergänzende digitale Angebote

Auch Telefónica ist an entsprechenden digitalen Angeboten beteiligt: zum Beispiel an interaktiven Lernmodulen oder dem Magazin Genial Digital vom Deutschen Kinderhilfswerk, das sowohl Lehrkräfte als auch Schüler:innen selbst nutzen können. Dabei werden auch Regeln zum Umgang mit Handys vermittelt – denn am Ende geht es vor allem darum, dass Kinder und Jugendliche die digitalen Geräte sicher und eigenverantwortlich nutzen, um die Chancen der Digitalisierung wahrnehmen und gleichzeitig mit den Risiken umgehen zu können. Hier bieten auch digitale Tafelbilder als vorgefertigte Unterrichtsstunden für Lehrkräfte eine wertvolle Unterstützung im Unterricht und ermöglichen es, traditionelle Lehrmethoden digital zu erweitern.

Die Debatte um digitale Bildung sollte somit nicht darauf abzielen, ob wir zurück zum analogen Unterricht gehen oder digitale Geräte verbannen sollten. Vielmehr müssen wir den sinnvollen Einsatz digitaler Medien fördern und vor allem die digitale Medienkompetenz stärken. Nur durch eine kluge Kombination aus analogem und digitalem Lernen können wir die Herausforderungen der digitalen Zukunft erfolgreich meistern und die Schüler:innen auf ein selbstbestimmtes Leben in einer digitalisierten Welt vorbereiten.

Mehr Informationen:

Kinder & Jugendliche im digitalen Raum: Interview mit Thomas Krüger (Deutsches Kinderhilfswerk)
Verantwortung für junge Mediennutzer_innen: Der neue Internetguide
Digitale Bildung: Mit dem Digitalpakt aus der Pandemie?

Schlagworte

Empfehlung der Redaktion