Internetkultur: Die Rolle von Memes bei rechtsextremer Online-Kommunikation

Credits: iStock/vetkit
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Veröffentlicht am 07.08.2024

Memes sind ein wohl nicht mehr wegzudenkender Bestandteil des Internets. Auch im politischen Kontext werden sie genutzt, um tagespolitisches Geschehen zu thematisieren, satirisch auf Probleme hinzuweisen und gesellschaftliche Kommentare zu veröffentlichen. Doch wie setzen politische Akteure, insbesondere aus dem rechtsextremen Spektrum, Memes zur Verbreitung ihrer Botschaften ein? Das haben wir uns genauer angeschaut.

Der Begriff “Meme” stammt aus der Evolutionsbiologie der 1970er Jahre und bezeichnet ursprünglich kleine Einheiten kultureller Information bzw. Gedankenbausteine, die von Mensch zu Mensch weitergegeben werden. Durch das Internet konkretisierte sich der Begriff weiter und steht nun für mediale Formate, die gruppenweise auftreten und immer gleiche Inhalte in leicht abgeänderter Version darstellen. 

Memes im politischen Diskurs

Dabei kann ein Meme im Prinzip alles sein – von Bildern, Videos, Audios und GIFs über Hashtags bis hin zu Kombinationen verschiedener Formate. Diese Vielseitigkeit zeigt sich ebenso bei der Verwendung von Memes im politischen Kontext. Politiker:innen selbst sind jedoch nur selten die Meme-Urheber, sondern eher das Subjekt der Memes. Diese werden benutzt, um kurze Zitate kontextlos weiterzuverbreiten, Inhalte zu kommentieren, satirisch zu reagieren oder auch, um sich über die Selbstinszenierung der Politiker:innen lustig zu machen. 

Auf diese Weise entsteht eine ironische Auseinandersetzung mit dem politischen Alltag. Hierbei werden nicht nur bereits bekannte Meme-Formate verwendet, sondern abhängig von aktuellen Geschehnissen etablieren sich auch immer wieder neue Memes, die dann wiederum in verschiedenen Varianten genutzt und verbreitet werden.

Rechtsextreme Memekultur

Foto: Pixabay User iAmMrRob | CC0 1.0 | Ausschnitt bearbeitet

Auch Memes des rechtsextremen Spektrums reagieren häufig auf tagespolitisches Geschehen, stehen dabei jedoch unter einer übergeordneten Ideologie und betreiben in diesem Sinne eine modernisierte Variante der Propaganda. Inhalte werden dazu gleichzeitig nach außen kommuniziert, um mehr Personen zu erreichen, und nach “innen”, um in die rechtsextreme Szene hinein zu wirken.

Diese Memes erzählen oft kleine Geschichten und enthalten Botschaften, die nur mit Hintergrundwissen über die rechtsextreme Gedankenwelt in Gänze verstanden werden können. Gleichzeitig dient ihr Einsatz dazu, die politische Mitte auf vermeintlich harmlose Weise an rechte Narrative heranzuführen und so subtil zu radikalisieren. Oft ist die Urheberschaft auf den ersten Blick nicht klar erkennbar, sodass die Memes vom durchschnittlichen Internetuser nicht sofort als rechtsextrem identifizierbar sind.

Szenenintern wirken Memes gemeinschaftsstärkend: Jede:r kann partizipieren und das Gefühl haben, ein “Insider” der Bewegung zu sein. So entfaltet sich ohne nähere Bekanntschaft untereinander ein Gemeinschaftsgefühl, bei dem sich die Beteiligten gegenseitig in ihrer Wahrnehmung als gesellschaftliche Exilanten bestätigen – eine Art niedrigschwelliger “Mitmachfaschismus”. 

Strategien der Rechten

Zur Verbreitung und Normalisierung ihrer Botschaften verwenden rechtsextreme Meme-Ersteller:innen diverse wiederkehrende Taktiken und Strategien. Stilistisch gehört dazu unter anderem die Verwendung sprachlicher Verkürzungen, rechtsextremer Codes und entsprechend konnotierter Emojis. So entsteht eine Insider-Kommunikation, die auf Eingeweihte abzielt. Derartige Sprachmuster zeigen sich beispielsweise in der Aneignung und dem satirischen Gebrauch von Begriffen aus der linken Szene, etwa diskriminierungssensibler Sprache oder ursprünglich diffamierenden Bezeichnungen für rechtsextreme Akteure. Aber auch klassisch rechte Begriffssetzungen fallen darunter.

Als Gestaltungselemente fallen wertende Symbole auf, die Bildinhalte dekorieren und entsprechend kontextualisieren. Weiterhin arbeiten Akteure mit stilistischen Verfremdungen und ergänzen Bilder durch Texte, die eine Art Interpretations-Guide darstellen. Teils entsteht dabei ein ganz eigener Stil, exemplarisch zu erkennen bei den sog. “Fashwave”-Memes, die die “Vaporwave”-Ästhetik mit rechtsextremem und antifeministischem Gedankengut kombinieren und vor allem eine “Sehnsucht” nach patriarchalen Rollenbildern ausdrücken.

Frauen, Frösche und linke Memes

Während einige Memes bewusst auf eindeutig rechtsextreme Symbolik verzichten, um unauffälliger und subtiler zu bleiben, greifen andere wiederum auf rechtsextrem konnotierte Embleme wie die schwarze Sonne oder (mittlerweile) den Frosch Pepe zurück. Diese stellen jedoch nur einen kleinen Ausschnitt des rechtsextremen Meme-Spektrums dar. Aus den USA stammt beispielsweise auch die sog. Tradwife-Bewegung, die ihr Ziel eines “traditionellen” Familienbildes mit einer strikt geschlechtergetrennten Rollenverteilung ebenfalls in Memes ausdrückt. Hierfür werden primär entsprechende Fotos oder Gemälde, oft mit nationalsozialistischem Bezug, verwendet. 

Als Beispiel für eine rechtsextreme Meme-Bewegung der deutschsprachigen Szene lässt sich seit 2023 der Hashtag #stolzmonat aufführen. Dieser fungiert als Gegenbewegung zum queeren Pride Month und soll Ausdruck einer patriotischen und nationalistischen Haltung sein. Als Erkennungsmerkmal dient eine Deutschlandflagge, die mit der Aufteilung auf sechs farblich verschiedene Streifen eine Pride-Flagge nachahmt und in Profilbildern und Memes verwendet wird. Die #stolzmonat-Bewegung zog als rechtes “Mitmachevent” das gesamte rechte Spektrum von Trollen über Influencer:innen bis hin zu AfD-Funktionär:innen an und vernetzte diese untereinander.

Während die rechtsextreme Meme-Szene mittlerweile Gegenstand diverser Forschungsprojekte ist, existiert eine derartige Beobachtung linker Online-Akteure nicht. Eine populäre Behauptung rechter Akteure ist zudem “the left can’t meme”, sei also nicht in der Lage, “gute” Memes zu erstellen. Tatsächlich jedoch waren politische Memes bis 2016 primär Insiderwitze der Linken und stammten meist von jungen Männern auf 9Gag, Reddit und Tumblr. Ab dem US-Wahlkampf 2016 wurden Memes zunehmend von Rechten vereinnahmt. Seitdem hat sich eine rechtsextreme Meme-Subkultur entwickelt, die im linken Spektrum nicht in dieser Form zu beobachten ist. Vielmehr werden dort bereits vorliegende Meme-Formate zur Verbreitung eigener Positionen genutzt oder die Inhalte einzelner großer Accounts geteilt, im deutschsprachigen Raum etwa die des Internetsatirikers “El Hotzo”. 

Memes zwischen Meinungsfreiheit und Hassrede

Foto: Unsplash User Conny Schneider | Ausschnitt bearbeitet

So harmlos Memes in der Regel wirken, so groß ist die Gefahr, die mit der Verbreitung rechtsextremer Ideologie auf derart niedrigschwellige und subtile Art einhergeht. Einerseits kann dies beinahe unbemerkt Radikalisierungsprozesse anstoßen, andererseits verbreitet sich menschenfeindliche Ideologie, die das Internet v.a. für marginalisierte Gruppen zu einem unsicheren Ort macht. Strafrechtliche Relevanz wird von Jurist:innen jedoch oft verneint und auch die Moderator:innen der Social-Media-Plattformen reagieren unter Berufung auf die Meinungsäußerungsfreiheit der Nutzer:innen selten auf derartige Memes.

Hier lässt sich durchaus argumentieren, dass sich die Rechtsprechung noch nicht auf dem aktuellen Stand der Entwicklungen online befindet. Bis Plattformen und Strafrechtler:innen einen angemessenen Umgang gefunden haben, bleibt es wohl Verantwortung der einzelnen Nutzer:innen, auf ihre online konsumierten Inhalte zu achten und rechtsextreme Ideologie klar als solche zu benennen. 

 

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