Social Media & Politik: Wer ist die deutsche Taylor Swift?

Credits: iStock/Caiaimage/Chris Ryan
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Veröffentlicht am 01.03.2024

Was passiert, wenn sich in den USA eine Pop-Ikone wie Taylor Swift in den sozialen Medien politisch äußert, konnte man vor kurzem im Rahmen des Super Bowl beobachten. Die Followerschaft und damit der Einfluss deutscher Stars fällt im Vergleich dazu zwar wesentlich niedriger aus. Trotzdem gibt es auch hier Künstler:innen, die man in diesem Sinne als Influencer bezeichnen könnte. Wir stellen einige Kandidat:innen und ihre politischen Themen vor.

Taylor Swift wird in den USA aus zwei Gründen ein relevanter politischer Einfluss zugeschrieben: Zum einen hatte sie bereits 2020 Joe Biden vor der Präsidentschaftswahl unterstützt und ihre Fans seitdem wiederholt dazu aufgefordert, wählen zu gehen. Zum anderen folgen der Sängerin in den sozialen Medien sehr viele Menschen: auf Instagram sind es momentan 282 Mio., auf Twitter/X 95 Mio., auf Facebook 80 Mio., auf YouTube 56 Mio. und auf TikTok 25 Mio. Sie gilt somit zurecht als eine der größten Social Media-Influencer der Welt.

Musik und Politik in Deutschland

Blickt man auf Deutschland, stellt sich die Frage, ob es hierzulande Personen gibt, die in ähnlicher Form als Influencer gelten können – schließlich gab es schon immer Künstler:innen, die populär waren und sich politisch positioniert haben. Beim Versuch einer Einordnung lassen sich drei grobe Kategorien bilden: die politisierten Musiker der „alten Schule“, Musik-Influencer der älteren Generation sowie die der jüngeren Generationen.

Bei der ersten Kategorie meint „alte Schule“, dass diese Musiker:innen kaum oder gar nicht in den sozialen Medien präsent sind. Dazu gehören z.B. Hannes Wader und Konstantin Wecker, die an der Politisierung der deutschen Musik seit Ende der 1960er Jahren beteiligt waren. Beide Liedermacher sind heute um die 80 Jahre alt und stehen mit ihren kritischen Texten zwar weiter auf der Bühne, ohne aber die sozialen Medien nennenswert zu bespielen. Konstantin Wecker hat immerhin auf Facebook ca. 150.000 Follower, ist sonst jedoch auf keiner anderen Plattform aktiv.

Ähnlich hält es die Band „Die Ärzte“, die ebenfalls nicht auf Social Media unterwegs ist, aber unzweifelhaft in die Liste der großen deutschen Musiker:innen mit politischem Einfluss gehört. Man denke nur an den Song „Schrei nach Liebe“, der 1993 als Reaktion auf rechtsradikale Ausschreitungen und Übergriffe veröffentlicht wurde.

Grönemeyer, Lindenberg, die Toten Hosen

Andere Musiker:innen, die ebenfalls bereits seit Jahrzehnten im Geschäft sind, sich politisch positionieren und dafür aber auch Social Media nutzen, sind etwa die Toten Hosen, Herbert Grönemeyer und Udo Lindenberg. So folgen den Toten Hosen auf Facebook 1 Million Menschen, Udo Lindenberg und Herbert Grönemeyer jeweils fast 400.000. Auch auf Instagram erreichen sie Werte im höheren sechsstelligen Bereich. Nur auf der Plattform TikTok bleiben sie deutlich unter den 100.000 Followern.

Die drei Genannten positionieren sich auf Instagram regelmäßig und sehr direkt zu politischen Themen. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Herbert Grönemeyer postet viel zur Unterstützung von Fridays for Future, Udo Lindenberg ruft zu Demonstrationen gegen Rechtsextremismus auf und die Toten Hosen solidarisieren sich gegen Antisemitismus. Die Musiker haben jeweils eine klare politische Haltung zu unterschiedlichen Themen, die sie offen in ihren Beiträgen teilen. Damit zeigen sie, dass ein musikalischer Erfolg, der vor längerer Zeit begann, ein Wirken als (Politik-)Influencer:in nicht ausschließt.

Quelle: Die Toten Hosen auf Instagram

It´s a match – jüngere Künstler:innen & Social Media

Bekannte Musiker:innen der jüngeren Generationen sind naturgemäß viel vertrauter mit den sozialen Medien und zugleich auch populärer bei den meist jüngeren Nutzer:innen der Plattformen ­– was sich in entsprechenden Followerzahlen niederschlägt: Als Personen des öffentlichen Lebens verfügen etwa Helene Fischer oder Sarah Connor über ausgeprägte Auftritte auf Instagram und Co. So besitzt Schlagersängerin Helene Fischer neben ihrer allgemeinen Bekanntheit mit 1 Mio. Follower:innen auf Instagram und 2,3 Mio. Fans auf Facebook eine beträchtliche Social Media-Präsenz.

Allerdings sind auf TikTok besonders junge Künstler:innen wie die Band Annenmaykantereit (1,8 Mio.), Lena Meyer-Landrut (1,3 Mio.), Shirin David (1,3 Mio.) oder LEA (760.000) deutlich erfolgreicher als Helene Fischer (160.000) oder Sarah Connor (335.000). Hier zeigt sich wiederum, dass TikTok vor allem von sehr jungen Menschen genutzt wird.

Die Spitzenreiter der hier betrachteten Kategorie sind auf Instagram zudem zwei Musikerinnen, die zugleich eindeutig als Influencerinnen bezeichnet werden können: Shirin David mit 6,5 Mio. und Lena Meyer-Landrut mit 5,7 Mio. Followern. Während letztere als Gewinnerin des Eurovision Song Contest bekannt und anschließend auch gezielt zur Influencerin wurde, kommt Shirin David ursprünglich aus dem Social Media-Bereich und hat sich seit 2014 eine beträchtliche Followerschaft aufgebaut, bevor sie auch als Musikerin Bekanntheit erlangte.

Die Themen der Musiker:innen

Diese, hier beispielhaft genannten Künstler:innen der jüngeren Generationen äußern sich ebenfalls politisch und besitzen durch ihre große Followerzahl durchaus ein gewisses Mobilisierungspotential. Grundsätzlich positionieren sich alle der aufgelisteten Musiker:innen besonders gegen Rechtsextremismus, Faschismus und Antisemitismus, zum Beispiel auch im Zuge der aktuellen Demonstrationen für die Demokratie nach der Correctiv-Recherche.

„Ich denke, gerade wenn man viele Follower*innen hat oder auf der Bildfläche vieler Menschen erscheint, ist es wichtig, für etwas zu stehen, eine Meinung zu haben und sich einzusetzen.“ (Sängerin LEA in einem Interview)

Weitere Themen sind eine humanere Asylpolitik an den europäischen Außengrenzen, besonders unter dem Hashtag #LeaveNoOneBehind. Auch der Krieg in Nahost und der Ukraine oder die Lage im Iran wird von den Künstler:innen thematisiert. Herbert Grönemeyer und Annenmaykantereit legen zudem einen Fokus auf den Klimawandel. Shirin David positionierte sich bisher vor allem zu feministischen Fragen. Lena Meyer-Landrut unterstützte sogar Angela Merkel im Wahlkampf 2017 und bedauerte 2021 auf Instagram den Abschied der langjährigen Kanzlerin.

Quelle: Lena Meyer-Landrut auf Facebook

Wie sich die Popstars äußern

Wesentlich politischer als viele der anderen jüngeren Künstler:innen zeigt sich zudem Sarah Connor, die immerhin eine der erfolgreichsten deutschen Musikerinnen der letzten Jahre ist, in den sozialen Medien. Ihre Statements sind dabei nicht nur Teil von Kampagnen oder Initiativen, sondern auch Reposts oder einfache Solidarisierungen. Sie äußerte sich z.B. unter dem Hashtag #StandUpforUkraine, unterstützte Kamala Harris in den USA, postete Beiträge zu den Frauenrechtsprotesten im Iran und verbreitet auch sonst regelmäßig politische Beiträge.

Quelle: Stern Cover via n-tv.de

Im Gegensatz dazu hält sich Helene Fischer mit politischen Statements auf ihren Social Media-Kanälen sehr zurück. Stattdessen positioniert sie sich gezielt in Form von organisierten Kampagnen oder live auf der Konzertbühne, was aufgrund ihrer Stellung als Megastar der deutschen Musikbranche durchaus relevant ist. Welchen Einfluss ihre wenigen politischen Äußerungen haben, zeigte vor kurzem eine Ausgabe des Stern mit ihr als Fixpunkt auf dem Titelbild. Und in ihrem zugehörigen Statement bezog sie klar Stellung:

„Bei den kommenden Wahlen in Deutschland und Europa, wird entschieden, in welchem Land wir künftig leben werden. Tut das Richtige, geht zur Wahl! Für die Demokratie und gegen die Extremisten!“ (Helene Fischer im Stern)

Widerspruch bleibt nicht aus

Obwohl sich Fischer bereits in der Vergangenheit gegen Fremdenfeindlichkeit positioniert hat, fiel das Echo diesmal aufgrund der veränderten politischen Stimmung im Land wesentlich größer aus – sowohl was Zuspruch als auch was negative Kommentare angeht. Letztere fallen insgesamt zwar anders aus als in den USA, wo z.B. breit rezipierte Verschwörungserzählungen gegen Taylor Swift die Runde machen. Allerdings gibt es auch hierzulande in den sozialen Medien jede Menge Hass und Anfeindungen für solche Positionierungen.

Beliebte Narrative bei den Hasskommentaren sind z.B., dass die Künstler:innen Geld für ihre Aussagen bekommen würden, also quasi durch Bezahlung manipuliert werden, dass sie regierungshörig seien oder dass mit der Stellungnahme gegen Rechtsextremismus andere „Meinungen“ in den Dreck gezogen würden. Angesichts der allgemein wahrgenommenen Zunahme von Hass und Desinformation in den digitalen wie analogen Bereichen der Gesellschaft braucht es als Person des öffentlichen Lebens somit einen gewissen Mut, sich politisch zu äußern, bei manchen Fans anzuecken und sich dem oft hasserfüllten Widerspruch auszusetzen.

Vor diesem Hintergrund ist die Frage nach der deutschen Taylor Swift weit weniger wichtig als die Frage, wie demokratische Gesellschaften wieder zu einem konstruktiven Austausch über verschiedene Positionen kommen können – ohne das die sozialen Medien Hass und Anfeindungen immer weiter verstärken. Dann würden sich vielleicht auch mehr Musiker:innen trauen, ihre Meinung öffentlich kundzutun.

Mehr Informationen:

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