Digitales ackern: UdL Digital Talk mit Cem Özdemir und Marie Hoffmann
Wie verändern neue Technologien unsere Nahrungserzeugung? Wie sieht die Landwirtschaft von morgen aus und wo sollte die Politik die richtigen Anreize setzen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des UdL Digital Talk mit Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, und Marie Hoffmann, Agrar-Influencerin und Landwirtin.
Es hatten sich mal wieder viele Menschen zum BASECAMP aufgemacht, um vor Ort die neueste Ausgabe des UdL Digital Talk zu erleben, der nun bereits seit 13 Jahren stattfindet und von Cherno Jobatey in unnachahmlicher Art moderiert wird. Und dem Publikum wurde zugleich eine amüsante und fachlich fundierte Diskussion zu einem digitalpolitischen Thema geboten, dass sonst eher nicht so im Mittelpunkt steht: die Digitalisierung der Landwirtschaft.
Wie die Digitalisierung die Landwirtschaft erleichtern kann
Auf dem Podium saßen mit Bundesminister Cem Özdemir und der Agraringenieurin Marie Hoffmann zwei ausgewiesene Fachleute, die zum Teil detailliert und in vielem einig, aber auch mit unterschiedlichen Standpunkten über die Materie diskutierten. So wies Özdemir gleich zu Beginn auf die Herausforderungen hin, vor denen die hiesige Landwirtschaft heutzutage steht: die gesellschaftlichen Erwartungen hinsichtlich Klima, Umwelt, Artenvielfalt und tiergerechter Haltung, der finanzielle Druck, trotzdem rentabel zu wirtschaften oder die schwierige Suche bei der Hofnachfolge. Deshalb sei die Digitalisierung in diesem Bereich kein Selbstzweck.
Hoffmann betonte ebenfalls die Potenziale des Smart Farming und brachte im Laufe der Diskussion immer wieder Beispiele, wie sie als Landwirtin digitale Technik in der Praxis nutzt: etwa bei der Analyse des Ackers mithilfe von Satellitenkarten, bei der Aussaat kommen teilweise Roboter zum Einsatz um das Feld und die Tierwelt zu schonen oder vor der Heuernte helfen Drohnen bei der Wildortung. Hierbei komme es allerdings manchmal zu Problemen aufgrund schlechter Netzabdeckung auf dem Land.
Unterstützung durch KI
Auch Künstliche Intelligenz kann mittlerweile beim Ackerbau unterstützen, z.B. könnten moderne Spritzen für den Pflanzenschutz dank KI die Pflanzenschutzmittel gezielt ausbringen und so zu deren Reduktion beitragen, was hilft Resistenzen bei Organismen gegen die Mittel zu vermeiden. Özdemir hob die Potenziale von KI für die Landwirtschaft dabei im Allgemeinen sowie bei der Tierhaltung hervor.
Hoffmann sprach als Frau aus der Praxis zugleich aber auch die Zielkonflikte und Probleme an, vor denen landwirtschaftliche Betriebe stehen, sei es das schwierige Verhältnis von notwendiger Bodenbearbeitung und dem Klima- sowie dem Artenschutz oder die finanzielle Frage, in welche die technologischen Mittel die Höfe investieren können. Hier formulierte sie klare Erwartungen an finanzielle Unterstützung durch die Politik und schlug zum Beispiel eine Abwrackprämie für ältere Pflanzenschutz-Spritzen vor.
Potenziale nutzen statt pauschaler Vorgaben
Bei der Frage, wie die Landwirtschaft hinsichtlich der Digitalisierung stärker politisch gefördert werden kann, traten die unterschiedlichen Positionen der Diskutanten durchaus deutlich zutage. Neben ihren Vorschlägen für Verbesserungen hinterfragte Hoffmann unter anderem manche pauschale Regelung durch die Politik, wie das vorgegebene 50-prozentige Einsparziel für Pflanzenschutzmittel.
Der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft verwies während der Diskussion zum einen auf die bereits unternommenen Maßnahmen seines Ressorts in diesem Bereich (wie Experimentierfelder, Forschung und Erprobung, Wissenstransfer, Zuschüsse bei Investitionskosten), sprach zum anderen aber auch bekannte Probleme der deutschen Politik an, die schnellen und umfassende Lösungen erschweren: z.B. die Länderzuständigkeiten für Landwirtschaft oder komplizierte EU-Vorgaben etwa zu den Ökosystemleistungen, über die Özdemir und Hoffmann debatierten.
Mehr Dialog und Wertschätzung für die Landwirtschaft
Özdemir gab zudem einen Einblick in die unterschiedlichen Interessen und Ideen, die von den Stakeholdern im Bereich der Landwirtschaft an ihn und die Politik ständig herangetragen werden. Er unterstrich, dass es hier letztlich einen Dialog und Kompromisse mit allen Beteiligten brauche, um zu nachhaltigen und sinnvollen Lösungen zu kommen.
„Darum ist es ganz wichtig, dass diejenigen, die ein gemeinsames Interesse haben, sich nicht mit- und untereinander beharken, sondern wie wir die Mehrheitsgesellschaft sensibilisieren, damit sie auch bereit ist zu sagen: Ja, das ist mir was wert, das kostet Geld und es ist etwas wert, wenn ich Produkte habe aus der einheimischen Landwirtschaft, möglichst regional, möglichst saisonal.“ (Cem Özdemir)
Hoffmann zeigte sich zwar etwas ungeduldig gegenüber der Politik und monierte falsche Entscheidungen und Fehlanreize in den Ländern. Auf die Frage von Moderator Jobatey, wie groß ihr Vertrauen in die Politik sei, bezog Hoffmann aber eine ähnliche Position wie der Minister.
Einigkeit zwischen beiden herrschte in dem Punkt, dass es insgesamt mehr Wertschätzung und Wertschöpfung für die Landwirtinnen und Landwirte brauche, gerade weil die personelle Situation der Branche dauerhaft schwieriger werde.
Was für ein weites Feld das Thema „Digitales ackern“ ist, verdeutlichten weitere Aspekte, die während der Diskussion zur Sprache kamen: etwa der komplizierte Zusammenhang von Landwirtschaft und Klimaschutz hinsichtlich Photovoltaik auf landwirtschaftlichen Flächen oder wie die Vorteile regenerativer Landwirtschaft politisch gefördert werden können. Auch die Fragen des Publikums zum Abschluss des UdL Digital Talk deuteten auf die große Bandbreite des Themas hin. Die Digitalisierung der Landwirtschaft bleibt somit eine Aufgabe, die noch mehr gesellschaftliche Aufmerksamkeit verdient.