BASECAMP FishBowl:
Planen und Bauen als digitale Herausforderung neu entdecken
Konstantina Kanellopoulos, Aygül Özkan, Klara Geywitz, Markus Haas, Sarah Schlesinger und Miriam Beul | Foto: Henrik Andree
Philippe Gröschel, Konstantina Kanellopoulos, Aygül Özkan, Klara Geywitz, Markus Haas, Sarah Schlesinger, Hartwig von Saß und Miriam Beul | Foto: Henrik Andree
Veröffentlicht am 07.09.2022
Bauen und Digitalisieren sind zwei der großen Herausforderungen der Zeit. Diese gemeinsam zu betrachten war das Ziel der Fish-Bowl- Diskussion am Montagnachmittag im BASECAMP, dem Debattenraum von o2 Telefónica Deutschland in Berlins Mitte. „Ich hätte nicht gedacht, dass Bauen so ein digitales Thema ist“, sagte Gastgeber Philippe Gröschel, Director Government Relations bei o2 Telefónica Deutschland, zu Beginn der Veranstaltung, die das BASECAMP zusammen mit der Real Estate Arena organisiert hat.
Real Estate Arena ist das neue Messeformat für Immobilien, Projekt- und Stadtentwicklung der Deutschen Messe. Hartwig von Saß, Projektleiter dieser neuen Messe und Buchautor zur Digitalisierung, erklärte: „Innovationen entstehen immer an den Rändern“, deshalb habe man die Vertreter beider bedeutenden Branchen zusammengebracht.
Für Klara Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen in einer Regierung, die 400.000 neue Wohnungen schaffen will, ist Digitalisierung eine Voraussetzung für die Transformation der Baubranche. Neue und weniger umweltschädlich produzierte Werkstoffe müssten entwickelt und andere Formen des Bauens wie Robotereinsatz oder 3D-Druck erprobt werden.
Mehr Effizienz und Produktivität, Bauen und Energieversorgung als Gesamtplan, smartes Wohnen und eine Stadtplanung, die veränderte Lebensgewohnheiten wie etwa das Online-Shoppen bei der Aufenthaltsqualität des urbanen Raum mit bedenkt, waren weitere Aspekte, die die Ministerin ansprach: „Bauen und vermieten bedeutet heute, integriert zu denken.“ Durch Building Information Modeling (BIM) und digitale Zwillinge ließen sich nicht nur Gebäude besser planen und bewirtschaften, sondern auch ganze Stadtquartiere besser durchdenken.
Markus Haas, CEO von o2 Telefónica, betonte ebenfalls die Vorteile digitaler Planung, jedoch: „Gebaut wird immer noch analog.“ Und das zu langsam, weil schon die Genehmigungen monatelang dauerten. Beim Ausbau von Mobilfunk würden 99,5 Prozent aller Vorhaben genehmigt. Sein Ideal sei ein „genehmigungsfreies Bauen“. Die nicht genehmigten 0,5 Prozent müssten notfalls zurückgebaut werden.
„Wenn es bei Tesla geht, muss es beim Mobilfunk auch gehen.“
Sarah Schlesinger, CEO bei Blackprintpartners, einem Netzwerk, um die Digitalisierung der Bau- und Immobilienwirtschaft voranzutreiben, und Aygül Özkan, Geschäftsführerin bei ZIA, dem Zentralen Immobilien Ausschuss, einem Wirtschaftsverband der Immobilienwirtschaft, betonten den Wert der digitalen Planung nicht nur bis zu Baufertigstellung. Es gingen immer noch viel zu viele Daten nach dem Bau verloren. Gerade für das Ziel einer Kreislaufwirtschaft auch beim Bauen sei die Kenntnis, was verbaut worden ist, wesentlich, um Material wiederverwenden zu können. „Digital Modeling sollte verpflichtend werden für mehr Transparenz beim Bauen“, unterstrich Schlesinger. ZIA und Blackprintpartners hatten Anfang 2022 einen Bericht veröffentlicht, der Unternehmen Handlungsempfehlungen für nachhaltiges Bauen und den Einsatz von Digitalisierung gibt.
Schlesinger setzt für schnelleres Bauen auch auf mehr Standardisierung im Bau und bei den Genehmigungen. Immer gleiche Häuser müssten doch nicht an jedem Standort neu genehmigt werden, meinte sie und forderte ein „Once-Only-Prinzip“, deren Ergebnisse sprich Genehmigungen dann bundesweit, vielleicht sogar EU-weit einsehbar sein müssten.
Für mehr gemeinsame Planung der Telekommunikationsanbieter und der Bauherren schon bei der Planung von Gebäuden sprachen sich Haas und Konstantina Kanellopoulos, Co-CEO der Deutsche Wohnen SE, aus. „Wir müssen die Smartmeter gleich mitdenken“, sagte Haas. Mehr Digitalisierung bringe mehr Synergie-Effekte, zeigte sich Kanellopoulos überzeugt. „Wir haben ja die gleichen Kunden wie die Telekommunikationsunternehmen.“ Gemeinsame Planung könne „Mehrfach-Aufbuddeleien“ verhindern. Eine Infrastruktur sollte in neuen Stadtvierteln nur einmal errichtet werden und die Quartiere so geplant werden, dass der Großteil der dort verbrauchten Energie auch dort erzeugt werde. Für die Deutsche Wohnen sei aber weniger der Neubau, sondern der Gebäudebestand die Herausforderung für mehr Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Dort liege die Sanierungsquote gerade einmal bei einem Prozent, für mehr fehlten die Fachkräfte. Deshalb, so Kannellopoulos, habe man inzwischen sogar Elektriker aus Kolumbien angeworben.
Moderatorin Miriam Beul wies auf die Möglichkeit der Umwidmung von Gebäuden für mehr Wohnungen hin. Ministerin Geywitz stimmte zu und meinte: „Umbau ist ein ganz großes Thema.“ Deshalb solle auch die Honorarordnung für Architekten in dieser Hinsicht verbessert werden.
Dass viele Menschen zu wenig Interesse am nachhaltigen Renovieren hätten, beklagte der erste Gast in der FishBowl-Runde. Wo denn heute Inspiration für das Bauen zu finden sei, wollte die zweite auf dem freien Stuhl wissen. Für Özkan ist die Gebäudetechnologie in Skandinavien inspirierend, Kannelopoulos setzt beim Internet of Things auf Deutschland. Haas sieht in Spanien ein Vorbild, was das Glasfasernetz und die Baugenehmigungen angeht: „Das ist Benchmark bei der Infrastruktur innerhalb von Europa.“ Schlesinger bewundert die große Rolle von Risikokapital und dadurch die Innovationsgeschwindigkeit in den USA. Und die Ministerin? Die sieht bei der gegenwärtigen Konkurrenz der Systeme mit Russland und China und bei der zunehmenden Polarisierung in vielen Ländern der Welt vor allem in Deutschland einen sicheren Ort zum Investieren.