Nachgefragt!: „Wir brauchen nicht nur Einhörner, sondern auch Zebras“

Dr. Anna Christmann, Florian Bogenschütz | Foto: Henrik Andree
Dr. Anna Christmann, Florian Bogenschütz | Foto: Henrik Andree
Veröffentlicht am 03.06.2022

„Sind Start-Ups der Motor der Digitalwirtschaft?“ war die Frage im morgendlichen „Nachgefragt“-Format im BASECAMP von Telefónica Deutschland mit Dr. Anna Christmann. Für Christmann sind Start-Ups auf jeden Fall so wichtig, dass die Bundesregierung das „Ökosystem für Start-Ups verbessern“ will: beim Startkapital, bei der Suche nach Fachkräften durch einfacheren Zuzug aus dem Ausland oder bessere Absicherung von Remote-Arbeitsverhältnissen im Ausland, bei der Attraktivität für Frauen und der Frage der Datenverarbeitung, die mit einem eigenen Institut unterstützt werden soll.

Anna Christmann hat an den Unis Bern und California über die Grenzen direkter Demokratie promoviert, ist Mitglied von Bündnis90/Die Grünen und seit 2017 für den Wahlkreis Stuttgart II im Bundestag. Sie ist Beauftragte für die Digitale Wirtschaft und Start-ups im Bundesministerium für Wirtschaft und Klima sowie Koordinatorin der Bundesregierung für die Deutsche Luft- und Raumfahrt. Also genau die richtige Person, an die Moderator Florian Bogenschütz, CEO von Wayra Germany,  dem Start-Up-Accelerator von Telefónica, die Frage nach dem Start-Up-Paket der Bundesregierung stellen konnte.

Dr. Anna Christmann, Florian Bogenschütz | Foto: Henrik Andree

Christmann erklärte, dass in Kürze das Programm für die Unterstützung von Start-Ups präsentiert werde. Wichtigste Punkte darin: Mehr Risikokapital aus Europa möglich machen, schnellere Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland durch vereinfachte Visa-Regeln, sowie bessere soziale und rechtliche Absicherung von Remote-Arbeitsverhältnissen über die Ländergrenzen hinweg und eine bessere rechtliche Gestaltung der Datennutzung. Christmanns Augenmerk gilt dabei auch der Attraktivität von Start-Ups für Frauen, schließlich ist sie Mitgründerin des Netzwerks „She transforms IT“. Deshalb soll die Unterstützung für Existenzgründungen an die Lebensrealitäten weiblicher Fachkräfte angepasst werden.

Noch sind Start-Ups von Frauen in der Minderzahl, aber Bogenschütz machte darauf aufmerksam, dass Gründungen, an denen mindestens eine Frau beteiligt ist, erfolgreicher sind als reine Männer-Start-Ups. Und Christmann fügte hinzu: „Sie existieren auch länger“. Denn Frauen gründeten anders, nämlich erst nach reiflicher Überlegung. Und wenn es daneben geht? Seit mehr als zehn Jahren werde in Deutschland eine „andere Fehlerkultur“ diskutiert, was sie „etwas ermüdend“ finde. Sie betonte, in einem gescheiterten Start-Up hätten die Beteiligten eine Menge gelernt für neue Gründungen.

Dr. Anna Christmann | Foto: Henrik Andree

Start-Ups bringen für Christmann nicht nur gesamtwirtschaftliche Dynamik, sondern sie sind insbesondere auch Treiber der Dekarbonisierung, denn „75 Prozent der Start-Ups haben einen gesellschaftlichen Mehrwert als Ziel“. Da gebe es „eine hohe intrinsische Motivation“, allein ein Drittel engagiere sich im Bereich von Green Tech. Was allerdings verbessert werden müsse, sei die Dynamik des Staates, der Länder und Kommunen als Auftraggeber. Diese dürften nicht nur auf eingefahrenen Wegen die bereits bekannten Firmen beachten. Deshalb gebe es den „GovTech Campus Deutschland – Technologien für die Zukunft von Staat und Verwaltung“, durch den behördliche Auftraggeber und Start-Up-Angebote, auch im sozialen Bereich, besser miteinander vernetzt werden sollen. Auf staatlicher Seite müssen die Ausschreibungen überarbeitet werden, damit Neugründungen nicht schon durch Formalien ausgebremst werden, erläuterte Christmann.

Florian Bogenschütz | Foto: Henrik Andree

Ziel der Regierung sei es auch, die Spin-Offs und Ausgründungen aus Hochschulen und Forschungszentren zu unterstützen. Hier könne München als Vorbild dienen, wo es ein hervorragend ausgebautes Hochschul-Umfeld für Gründungen gebe. Ein wichtiger Punkt zur Verbesserung der Situation von Start-Ups sei die Mitarbeiterbeteiligung. Diese sei bislang juristisch so kompliziert, klagte Bogenschütz, dass erst einmal eine Menge Geld für Rechtsanwälte fällig werde.

Insgesamt müsse deutlicher herausgearbeitet werden, so Christmann, dass Investitionen in Start-Ups eine vernünftige Anlage seien, auch wenn nicht gleich die App-Millionen winkten.

„Wir brauchen nicht nur Einhörner, sondern auch Zebras“, sagte Christmann.

Deshalb wolle die Regierung auch „Social Entrepreneurship“ fördern und zusammen mit der Gründer-Szene nach geeigneten Instrumenten und Geldgebern suchen. Auch bei sozial orientierten Gründungen gebe es Verdienstmöglichkeiten, und bei profitorientierten Start-Ups sind positive gesellschaftliche Auswirkungen oft ebenfalls eingeplant. „Das ist ja keine Wohltätigkeitsveranstaltung bei sozial und nachhaltig orientierten Start-Ups“, zeigte sich Christmann überzeugt. Dabei sieht sie auch für Künstliche Intelligenz (KI) als „Enabling Technology“ eine entscheidende Rolle, um Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung zu erhöhen. Ein Modell für KI-Projekte ist für Christmann das „Cyber-Valley Stuttgart-Tübingen“.

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