Cyborg auf Tour: Neil Harbisson beim Digital Innovation Day von Telefónica
Foto: Christoph Reiss
Unser Cyborg Neil Harbisson, der schon im Juli die Attraktion beim IoT Kitchen Talk im Telefónica BASECAMP war, hatte gestern einen besonders interessanten Auftritt in der Nähe von München: Beim Digital Innovation Day 2016 von Telefónica Deutschland in Ismaning kamen 500 Experten für M2M-Kommunikation und das Internet der Dinge (IoT) zusammen, um sich über die neuesten Trends zu informieren. Die spannenden Showcases und Präsentationen sowie die Möglichkeit zum Networking hatten sie aus ganz Deutschland angelockt. Und am Ende gab es noch eine Überraschung bei der Vergabe des DID Award, den ein Startup mit einer ganz speziellen Geschäftsidee gewann.
Die alte Ziegelei 101 mit ihren weitläufigen Industriegebäuden aus den 40er Jahren bot das ideale Ambiente zum Zuhören, Netzwerken und Ḱennenlernen der neuesten IoT-Lösungen, die an Dutzenden Ständen aber auch draußen von den verschiedensten Firmen präsentiert wurden. Dazu gehörte beispielsweise die Seissiger-Wildkamera, mit der man Bestände von Rehen und Hirschen aber auch Schwarzwild im Wald ganz einfach von seinem Smartphone überblicken kann. Das IoT und der Mobilfunk von Telefónica Deutschland machen es möglich.
Neil Harbisson: Neues Cyborg-Upgrade schon in Arbeit
Der Auftritt von Neil Harbisson erzielte dabei besonders viel Aufmerksamkeit, denn als kybernetischer Organismus ist er selbst ein Bestandteil des Internets der Dinge und hat eine Antenne für den Drahtlos-Empfang in seinem Kopf implantiert. Damit kann er nicht nur Telefonanrufe direkt im Kopf empfangen, ohne dass er seine Ohren dafür benutzen muss. Er kann damit auch Farben hören. Sie werden von den Sensoren seiner festgewachsenen Antenne in Vibrationen umgesetzt, die das Gehirn des farbenblinden Briten als Töne interpretiert.
Die neueste Entwicklung: Neil Harbisson trägt jetzt nur noch schwarz. Sein bisheriger bunter Kleidungsstil wurde dem Cyborg zu laut, denn er benötigt nun Ruhe zur Gewöhnung an sein nächstes Upgrade. Das elektronische Stirnband zur Zeitmessung, von dem er zuerst im Telefónica BASECAMP berichtet hatte, existiert schon als Prototyp und wird demnächst unter seine Kopfhaut implantiert. Die neue Hardware soll sein nächstes NSO werden: ein New Sensory Organ, das durch kleine Temperaturveränderungen am Schädel die Zeit anzeigt.
So wird er nie zu spät kommen, doch sein Kopf muss auch immer mehr Reize verarbeiten. Die neuesten MRT-Aufnahmen in seiner Präsentation auf dem Digital Innovation Day zeigten, dass Neil Harbisson ständig neue Gehirnareale aktiviert und bereits einen ausgeprägten Farbsinn entwickelt hat, obwohl seine Augen nur Grauschattierungen sehen können. Selbst unsichtbare Farben aus dem ultravioletten und Infrarot-Spektrum nimmt er damit wahr. Und seine anderen Cyborg-Freunde tragen bereits Kompass-Implantate, mit denen sie den Norden spüren können, oder sie nehmen weit entfernte Erdbeben durch spezielle Sensoren unter der Haut wahr.
#TelefonicaDID: Vom vernetzten Sensor ins Internet der Dinge
Doch beim Digital Innovation Day gab es noch viel mehr Erstaunliches zu sehen: zum Beispiel den neuen Elektro-Geländewagen Tesla Model X mit seinen markanten Flügeltüren und sieben Sitzen oder die neueste Technik für das smarte Zuhause sowie Stromzähler mit Mobilfunk und sogar vernetzte Schuhsohlen, mit denen man Demenzpatienten wiederfinden kann, wenn sie wieder ihren Weglaufdrang entwickeln. Das ist ein ernsthaftes Problem in einer Gesellschaft, die immer älter wird.
Solche vernetzten Sensoren, die immer enger am Körper getragen werden, sind Bausteine für das Internet der Dinge – und für manche Menschen sind sie auch schon der Zwischenschritt zu einem Leben als Cyborg wie Neil Harbisson. Die am Mittwoch von Telefónica gezeigten Anwendungen weisen den Weg und lassen heute schon erahnen, was morgen möglich ist, wenn Digitalisierung und Miniaturisierung alle Lebensbereiche vernetzt haben. Das interessierte auch die Presse wie die Fernsehreporter der ARD, die für eine Reportage über dieses Thema zum Digital Innovation Day anreisten. Ihre 45-minütige Dokumentation soll Ende Januar im ersten Programm zu sehen sein.
Markus Haas: IoT wird viel größer als das heutige Internet
„Das Internet der Dinge wird in wenigen Jahren um ein Vielfaches größer sein als das heutige Internet“, sagte deshalb auch Markus Haas, COO von Telefónica Deutschland, bei seiner Eröffnungsrede. Schon bis zum Ende dieses Jahrzehnts soll sich die Zahl der Internet-fähigen Geräte auf 34 Milliarden vervierfachen und 24 Milliarden davon werden vernetzte Alltagsgegenstände aus dem Internet der Dinge sein.
„Denken Sie an das Paket, das Sie verschicken und dessen Position Sie zu jeder Zeit über das Internet bestimmen können“, nannte der Vorstand als Beispiel. „Denken Sie aber auch an vernetzte Herzschrittmacher, die schon heute das Leben für Risikopatienten wesentlich sicherer machen.“ Doch das ist nur der Anfang. Künftig werden Produktionsmaschinen automatisch ihre eigene Wartung vornehmen und Ersatzteile ordern, noch bevor es zum Ausfall kommt. Lkw werden autonom im Konvoi fahren und ihre Waren sicher transportieren. Das Ergebnis: weniger Unfälle und ein deutlich geringerer Spritverbrauch. Exzellente Netze und hervorragende Konnektivität sind die Grundpfeiler, um diese Industrie 4.0 und das Internet der Dinge zu ermöglichen.
BNetzA: Bundesregierung bereitet schon 5G vor
Ganz ähnlich argumentierten auch die weiteren Redner, wie der Vizepräsident der Bundesnetzagentur, Wilhelm Eschweiler. Er zeigte, wie die Bundesregierung bereits jetzt den neuen Mobilfunkstandard 5G fördert, der doch erst in vier Jahren feststeht und der Nachfolger von LTE werden soll. Amerikanische Mobilfunker setzen ihn schon ein, berichtete er von seiner letzten Reise, und warten dabei nicht einmal auf den Industriestandard oder Entscheidungen ihres Regulierers.
Erstaunlicherweise findet der Vizechef von Deutschlands oberster Mobilfunkbehörde dieses Vorgehen gut, weil es die Entwicklung voranbringt. Auch Telefónica Deutschland betreibt schon ein erstes Pilotnetz mit Übertragungsgeschwindigkeiten von bis zu 1,2 Gigabit pro Sekunde, das ein Zwischenschritt zu 5G ist. Der zugehörige Technologiepartner hatte ebenfalls einen großen Auftritt beim Digital Innovation Day: Der CTO von Huawei in Europa zeigte, wie IoT-Sensoren durch die neue Narrowband-Technik mehr als zehn Jahre im Mobilfunknetz senden können und dafür nur eine Batterieladung brauchen. Das ist eine der größten Herausforderungen für das Internet der Dinge, erklärte Jörg Diederichs bei seiner Präsentation.
Wozu das alles nützlich ist, zeigte sich am Ende des Tages, als die Teilnehmer die Gewinner des Digital Innovation Day Award mit ihren Smartphones wählen konnten. Bei dem Pitch um die Preise, die Huawei als Sponsor bereitgestellt hatte, traten drei junge Unternehmer mit ihren IoT-Geschäftsideen an. Sie waren vorher durch Telefónica Deutschland, Huawei, das Funkschau-Magazin und Telefónicas Startup-Programm Wayra aus einer Menge von Bewerbern ausgewählt worden. Der Hauptpreis von 5.000 Euro ging an die Firma Rysta und ihre kleinen weißen Sensor-Bälle: Sie sind vernetzt und können über eine App gesteuert werden, um beispielsweise SMS-Warnungen bei Überschwemmungen auszulösen oder den Einkaufszettel zu erweitern, wenn das Waschmittel zu Hause knapp wird.
Auch Einbrecher können sie überraschen, wenn sie bei verdächtigen Bewegungen im Haus das Licht einschalten. Die praktischen Helfer kosten gerade einmal zehn Euro und haben dafür sieben Sensoren sowie Verbindungen zu verschiedensten Cloud-Services eingebaut, welche die gelieferten Daten automatisch verarbeiten. Und das Beste ist: Die Massenproduktion hat bereits begonnen, berichtete der Geschäftsführer Moritz Gruber stolz auf dem Digital Innovation Day. Denn bei Rysta ging gerade ein großer Auftrag ein, der das Internet der Dinge wieder um zehntausend IoT-Geräte vergrößern wird.