BASECAMP ON AIR: Gemeinsame App statt „Kleinstaaterei“- Wie Digitalisierung den urbanen Verkehr besser organisieren kann
Grafik: Screenshot Livestream
Von Susanne Stracke-Neumann
Schon heute leben Milliarden Menschen in Städten, Tendenz steigend. Wie sieht in diesen urbanen Räumen die wünschenswerte „Mobilität der Zukunft aus?“ Das war das Thema der Online-Diskussion, zu der das Netzwerk „Young + Restless“ und der Debattenraum „BASECAMP“ eingeladen hatten.
Nicole Nehaus-Laug von Telefónica Deutschland begrüßte die rund 65 Zuhörer*innen der Diskussion „Urbane Mobilität der Zukunft – Digitalisierung als Grundlage der Stadt von morgen“ mit dem Hinweis auf heute schon über drei Milliarden Menschen in den Städten. Architektin Kristina Jahn von den Berliner Wirtschaftsgesprächen charakterisierte bei ihrem Gruß Berlin als „eine Stadt, die zuwächst und unter Wachstumsschmerzen leidet“.
„Die Öffis müssen cool werden.“
Das war der Rat des in Taiwan lebenden Bloggers Sascha Pallenberg bei einer Online-Diskussion über die „Urbane Mobilität der Zukunft“. Mit einer Karte alles bezahlen, sei der Trumpf. In Europa gälten öffentliche Verkehrsmittel oft als „alt, müffelnd und teuer“, in Asien dagegen habe der Öffentliche Personennahverkehr ÖPNV den Ruf „cool und effizient“ zu sein. Mit einer „Easy-Card“ könnten alle Mobilitätsdienstleistungen bezahlt werden, erklärte der Digitalexperte.
Verkehrsträger – Cyberwelt
In seinem Eingangsreferat skizzierte Professor Stephan Rammler vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin die zu beobachtenden Megatrends: Bevölkerungswachstum, größere urbanen Räume und eine wachsende Raumkonkurrenz. Der Automobilverkehr habe einen großen Raumverbrauch, vor allem durch parkende Autos.
Die Zeit des Abstandshaltens habe dem Auto eine echte Renaissance beschert. Während der Pandemie sei aber die Gewöhnung an digitales Agieren gewachsen. Das müsse künftig zu mehr Vernetzung verschiedener Verkehrsarten führen, zu einer größeren Beachtung der „ersten und letzten Meile“, besonders im Lieferverkehr. Ein neuer „Verkehrsträger“ werde nach der Corona-Zeit bleiben, die Cyberwelt: Homeoffice, Homeschooling und Telemedizin werden nicht wieder gänzlich verschwinden, prophezeite Rammler.
Ausbau des 5G Netzes schafft neue Möglichkeiten
Diese Online-Welt in der Pandemie ist für Kerstin Haarmann vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) zum „Game-Changer“ geworden. Sie habe gezeigt, dass Verhaltensänderung möglich seien. Dies müsse nun auch auf die Fragen der Klimakrise übertragen werden. Damit die Menschen mehr Auswahl in der Mobilität haben, müsse der ÖPNV besser werden und der Platz in den Städten zugunsten von Fußgängern und Radlern anders verteilt werden. Weniger Geschäftsreisen erwartet auch Gerald Huber, Senior Manager beim 5G-Programm von Telefónica, in der Zukunft, auch wenn persönliche Kontakte online nicht zu ersetzen seien. Der Ausbau des 5G-Netzes werde aber schon in den nächsten zwei Jahren zumindest in den urbanen Räumen neue Möglichkeiten der Vernetzung eröffnen.
Gewaltige Strommengen für den Ausbau der E-Mobilität
Für Philipp Schröder, ehemaliger Deutschland-Chef von Tesla, jetzt bei der Fondsberatung CAPinside und in der Hamburger Verkehrspolitik als CDU-Mitglied engagiert, ist die Hauptfrage der urbanen Mobilität der Zukunft die gewaltige Strommenge, die für einen Ausbau der E-Mobilität gebraucht werden – nicht nur für den Privat-, sondern auch für den Schwerverkehr, die Binnenschifffahrt, die Wasserstofftechnik. Der Strommarkt werde sich „verdoppeln und verdreifachen“, die Tarife müssten flexibilisiert und die Strom- wie Schienentrassen ausgebaut werden. Dafür sei ein Ausbau der Infrastruktur in den kommenden ein bis zwei Dekaden notwendig, der nur durch eine Art „Marshall-Plan“ geleistet werden könne.
Christoph Weigler von Uber in Deutschland, Österreich und der Schweiz griff die bereits angesprochene ungünstige Verkehrsbilanz von Pkws auf, die 95 Prozent der Zeit nur „rumstehen“. Er beschrieb die Möglichkeit, mehr Menschen vom ÖPNV zu überzeugen in einer Kombination mit flexibleren Uber-Fahrzeugen, die auch mehrere Personen gleichzeitig befördern, also „poolen“ könne und Randzeiten bediene. Viele Entwicklungen würden jedoch durch das Beförderungsgesetz auch in seiner Neufassung behindert, etwa durch die „antiquierte Rückkehrpflicht“, er.
Problem der Kleinstaaterei
Werden Drohnen die Zukunft der Mobilität bestimmen, fragte Moderatorin Jana Kugoth vom Tagesspiegel Background Mobilität und Transport den CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Jarzombek, Kabinettsbeauftragter für Luft- und Raumfahrt und Berater des Wirtschaftsministers für Digitale Wirtschaft und Start-Ups. Drohnen oder Flugtaxis werden nach Auffassung Jarzombeks eher Spezialtransporte übernehmen. Er begrüßte den Trend zum Rad und sieht in selbstfahrenden Autos eine Möglichkeit, Car-Sharing interessanter zu machen. Eine gesetzliche Grundlage für autonomes Fahren zu schaffen, hält er noch in dieser Wahlperiode für möglich.
Ein Problem für einen besser vernetzten Verkehr, so Jazombek, sei die „Kleinstaaterei“. Es sei unglaublich schwer, regionale Verkehrsverbünde von einem Datenaustausch für gemeinsame Verkehrs-Apps mit anderen, als Konkurrenten angesehenen Anbietern zu überzeugen. Auch Pallenberg zeigte sich überzeugt: Durch ein verbessertes gemeinsames Angebot würden alle profitieren. Insgesamt wünsche er sich in Deutschland mehr Respekt vor einer guten Infrastruktur.
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BASECAMP ON AIR – Young + Restless: Urbane Mobilität der Zukunft – Digitalisierung als Grundlage der Stadt von morgen?