Big Data bei der US-Wahl: Trump-Wähler essen nicht vegetarisch
Foto: Henrik Andree
Der nächste Präsident der Vereinigten Staaten wird wahrscheinlich eine Frau sein. Doch das Rennen dürfte nur knapp für Hillary Clinton ausgehen, wenn die USA in sieben Wochen ihr Staatsoberhaupt wählen. Das war am Dienstag ein Fazit der Wahlkampfexperten Douglas Rivers und Julius van de Laar bei unserer Diskussionsreihe Digital Masterminds. „In Berlin waren heute wütende Wähler und Big Data die Diskussionsthemen im Telefónica BASECAMP“, begann die Deutsche Welle danach ihren Fernsehbericht über die Veranstaltung. „Es war rappelvoll in dem Think Tank für neue Ideen.“
Mehr als 150 Besucher kamen, um die Diskussion zwischen dem Chief Scientist des weltweit tätigen Meinungsforschungsinstitutes YouGov und dem deutschen Digitalstrategen aus der Wahlkampagne von Barack Obama zu erleben. Die geschickte Moderation des TV-Journalisten Brent Goff legte dabei interessante Erkenntnisse frei: Beispielsweise, dass Parteien und Politiker durch die Digitalisierung immer mehr Daten erfassen und der gläserne Wähler in den USA schon weitgehend eine Realität ist. Aber gleichzeitig bewirkt der technische Fortschritt auch, dass man immer schwerer an Informationen über das Wahlvolk herankommt.
Kein Festnetz: Digitalisierung erschwert Wahlumfragen
Früher war seine Arbeit einfacher, erklärte Douglas Rivers. Noch vor 20 Jahren hätten 96 Prozent der US-Haushalte einen Telefonanschluss gehabt, unter dem man alle Bewohner gemeinsam erreichen konnte. Um repräsentative Ergebnisse bei Umfragen zu erzielen, musste man nur zufällig gewählte Festnetz-Nummern anrufen. Aber heute sei dieser Wert auf 60 Prozent gesunken und jedes Jahr würden drei bis vier Prozentpunkte davon verloren gehen.
Junge Leute ließen sich fast gar keine Festnetzanschlüsse mehr legen und deswegen seien heute kompliziertere Methoden nötig. YouGov setzt daher auf Online-Panels und muss oft einhundert verschiedene Befragungen über verschiedenste Alltagsthemen kombinieren, um daraus statistisch relevante Aussagen für den Wahlkampf abzuleiten.
Die Ergebnisse sind oft sogar zum Schmunzeln: Wer in den USA einen Motorschlitten besitzt, wählt höchstwahrscheinlich republikanisch, ließ Douglas Rivers wissen. Und die Anhänger von Donald Trump mögen kein vegetarisches Essen, während die Wähler von Hillary Clinton am häufigsten auf Auslandsreisen gehen.
Die Basis für solche Aussagen sind Wählerverzeichnisse, wo sich die US-Bürger vor Abstimmungen mit ihrem Wohnort, Alter, Geschlecht und der politischen Ausrichtung registrieren müssen. Sie werden von Kampagnenmanagern mit Angaben aus Verbraucherdatenbanken, Telefonumfragen, Vereinsmitgliedschaften, Protokollen von Internetsitzungen oder Analysen des Verhaltens in sozialen Netzwerken ergänzt.
Mehr Effizienz: Politik wird ein Datengeschäft
„Politik wird ein Datengeschäft“, sagte deshalb Douglas Rivers. Er wies dabei auch auf negative Auswirkungen auf die Privatsphäre hin, vor denen die deutschen Wähler aber durch strengere Datenschutzregeln geschützt werden. Das Ziel der Datenanalyse sei, jede Aussage im Wahlkampf exakt auf ihre Zielgruppe auszurichten, selbst wenn sie noch so klein ist.
Ein perfektes Werkzeug dafür sind die sozialen Medien, erklärt der Heise-Newsticker in seinem Artikel über die Veranstaltung. Bei Facebook oder Twitter kann man gleichzeitig die verschiedensten Werbebotschaften testen und sofort auswerten, wie stark sie die vorherrschenden Meinungen ändern. Eine derart effektive Wirkungsmessung war früher nicht möglich.
Wie man mit ihren Ergebnissen umgeht, zeigte Julius van de Laar: „Big Data macht den Wahlkampf vor allem effizienter“, erklärte der Zweimeter-Mann, der ursprünglich einmal in die USA gegangen war, um dort Basketball-Profi zu werden. Ein Treffen mit Barack Obama sowie einige Sportverletzungen führten ihn dann aber auf einen anderen Weg.
Der amerikanische Wahlkampf habe ein prinzipielles Problem, sagte der Experte: Obwohl die Kampagnen zu den teuersten der Welt gehören, würden Geld und Personal dennoch nie ausreichen. Deshalb müssen sich die Politiker auf bestimmte Wähler konzentrieren. Bei Hillary Clinton würden beispielsweise die Daten entscheiden, wo sie nächste Woche auftritt und was sie dort sagen wird.
Wählermobilisierung: Nachteil für Hillary Clinton
Damit gleicht sie einen Nachteil aus, der ihre ganze Kampagne hemmt: Die Wähler von Kandidaten der demokratischen Partei müssen viel stärker mobilisiert werden. Sie seien jünger und wechselhafter als bei den Republikanern und auch viel seltener als Wähler eingetragen, erklärte Douglas Rivers.
Republikaner seien dagegen älter und festgelegter. Aber vor allem seien sie registriert und würden immer wieder dieselbe Partei wählen. So läuft der Wahlkampf fast von selbst und es erklärt auch, warum Donald Trump bisher so gut abschneidet, obwohl er kaum Big Data nutzt.
„Der Nutzen der Daten ist begrenzt“, erklärte Julius van de Laar. „Sie können nicht mehr als vier bis fünf Prozent zu einem Wahlergebnis beitragen.“ Aber genau diese Menge reicht oft aus, um das Ergebnis in einem sogenannten Swing State wie North Carolina, Ohio oder Pennsylvania zu drehen, der mit seinen Wahlmännern über das Ergebnis der ganzen US-Wahl entscheiden kann. Vor vier Jahren hätten gerade einmal 20.000 Hausbesuche bei unentschlossenen Wählern ausgereicht, um schließlich die Mehrheit für Barack Obama in Ohio zu erobern.
„Jede Stimme zählt gleich viel“, betonte deswegen Douglas Rivers, und durch Big Data werden die Wähler gefunden, die man dafür ansprechen muss. Die Aufgabe der Datenanalyse ist dabei auch, ein genaues Drehbuch für solche Besuche zu erstellen. Man kennt den Wähler vorab und kann genau die passenden Argumente für seinen Fall zurechtlegen, erklärte Julius van de Laar. Und wenn er die Tür nicht öffnet, dann wird er eben durch eine gezielte Ansprache bei Twitter oder Facebook oder mit einem Brief bearbeitet. Auch E-Mails sind ein sehr beliebtes Werkzeug: Ihre Betreffzeilen werden immer wieder geändert und statistisch bewertet, bis endlich die optimale Wahlkampfnachricht gefunden ist.
Das hat einen interessanten Nebeneffenkt: Die Datenanalyse erweist sich damit sogar als Werkzeug zur Stärkung der Demokratie. Denn sie sorgt dafür, dass die Wahlbeteiligung steigt, weil sie auch den Angry Voter zum Wählen bringt, der eigentlich von allen Politikern die Nase voll hat.
Durch Big Data lassen sich Themen identifizieren, die ihn wirklich interessieren. Politikverdrossene werden ernst genommen und die öffentliche Diskussion richtet sich auch nach ihnen. Das ist Basisdemokratie durch Technologie. Sie steigert die Legitimation des Wahlergebnisses und des ganzen demokratischen Systems. So hat das bisher noch kaum jemand betrachtet.
Am Ende der Veranstaltung wurde dann übrigens auch eine Vorhersage für den deutschen Wahlkampf abgegeben: „2017 reichen sich zwei weibliche Staatschefs die Hände“, ist die Prognose von Julius van de Laar. Er könnte es ziemlich genau wissen, denn ihm liegen große Mengen von Daten vor.
Mehr Informationen:
Big Data und Bots: Der digitale Wahlkampf im Telefónica BASECAMP
Brent Goff Reports: Angry Voter & Big Data (Deutsche Welle TV)
Big Data in der Politik: Wenige Prozent sind entscheidend (YouGov.de)