Innovationen: Die Zukunft aus dem Reallabor

Foto: CC0 1.0, Pixabay / ar130405 / Ausschnitt bearbeitet
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Veröffentlicht am 08.06.2020

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Die Geschwindigkeit und Auswirkungen der Digitalisierung erfordern ein Umdenken in Sachen Regulierung und Gesetzgebung – vor allem, wenn es um die Erprobung von Innovationen geht. Wie sich die Chancen digitaler Technologien nutzen lassen, ohne wichtige Schutzstandards aufzugeben, zeigt der Ansatz des Reallabors.

Von innovativen E-Government-Lösungen über digital-gestützte Mobilitätsdienste und autonom fahrende Linienbusse bis hin zu digitalen Identitäten: Am 26. Mai hat das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) im Rahmen einer Online-Preisverleihung insgesamt neun Projekten den „Innovationspreis Reallabore“ verliehen. Die Siegerprojekte wurden aus einer Fülle von 125 Beiträgen ausgewählt, die sich in drei Wettbewerbskategorien „Rückblicke“ (abgeschlossene Reallabore), „Einblicke“ (laufende Vorhaben) und „Ausblicke“ (Ideen für Reallabore) unterteilten.

Unter den Preisträgern finden sich neben mehreren Mobilitätsprojekten spannende Lösungen wie das Hamburger Drohnenprojekt „Medifly“: Dabei handelt es sich um einen Luftfrachtdienst zum Transport von medizinischen Proben, die bis dato durch Rettungswagen erfolgen. „Medifly“ kann somit medizinische Abläufe im Krankenhaus beschleunigen und gleichzeitig zur Verkehrsentlastung beitragen. Ausgezeichnet wurde auch „Nect Robo-Ident“ – ein Projektvorhaben, dass an digitalen und rechtssicheren Lösungen zur Identitätsfeststellung aus der Ferne für Krankenkassen, Versicherungen und Banken arbeitet. Der Fokus liegt auf nutzerfreundlichen Lösungen, die Identitätsdaten beispielsweise durch Selfies und Scans von Ausweisdokumenten verifizieren.

Foto: CC0 1.0, Pixabay User geralt | Ausschnitt angepasst

Mit der Auszeichnung würdigt das BMWi „herausragende Testräume für Innovation und Regulierung“, die digitale Technologien wie KI oder Blockchain auf vorbildliche Weise in Anwendung bringen und einen Beitrag zur Weiterentwicklung des jeweiligen Rechtsrahmens leisten. Doch was machen Reallabore konkret und welchen Nutzen bieten sie? 

Freiräume für Ideen und Innovationen

Ein Reallabor zeichnet sich nach Definition des BMWi dadurch aus, dass es eine ergebnisoffene Erprobung neuer Technologien unter der Nutzung rechtlicher Gestaltungsspielräume verfolgt – und einen Erkenntnisgewinn in Sachen Regulierung liefert. Vor allem Letzteres kann dabei helfen, zu verstehen, welche Regeln die digitale Welt von morgen braucht. Die zeitlich und zumeist auch räumlich begrenzten Experimentierräume bieten jedenfalls die Möglichkeit, unter realen Bedingungen Erfahrungen mit digitalen Innovationen zu sammeln, ohne sinnvolle und notwendige Standards aufzugeben.

Reallabore sind zwar Freiräume für Ideen und Innovationen, jedoch müssen sie sich im geltenden Rechtsrahmen bewegen. Dabei ist vor allem die Politik in Sachen Gesetzgebung gefragt, da hierbei Instrumente für die Abweichung von bestehenden Regeln nötig sind – beispielsweise in Form sogenannter Experimentierklauseln. Solche „Öffnungsklauseln“ ermöglichen auch Sharing- und Pooling-Mobilitätsdienste wie die Sammeltaxis der Anbieter BerlKönig, Clevershuttle und MOIA, die derzeit von einigen Regelungen des Personenbeförderungsgesetzes ausgenommen sind. So können Chancen und Risiken neuer Technologien in der Praxis erprobt und auch Antworten auf rechtliche Hürden gefunden werden. Im Ergebnis zeigen viele Beiträge, „wo neue Freiräume notwendig sind, um Erprobungsprojekte möglich zu machen“, resümierte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier bei der Preisverleihung.

Deutschland als Innovationsstandort

Reallabore sind somit ein wichtiges innovationspolitisches Instrument. Um Reallabore hierzulande systematisch zu etablieren wurde 2018 vom BMWi die Reallabor-Strategie veröffentlicht, die dafür drei Handlungsfelder definiert: eine innovationsfördernde Regulierung, die Bereitstellung von Informationen und Vernetzungsmöglichkeiten und die Begleitung sowie Initiierung von Reallaboren.

Einen Überblick über die Innovationsbereiche, denen sich Reallabore hierzulande widmen, bietet das „Netzwerk Reallabore“ des BMWi. Aktuell umfasst das Netzwerk rund 500 Expert*innen und Führungskräfte. In einer aktuellen Mitgliederbefragung wurden Mobilität, Smart Cities und Energie als wichtigste Bereiche ermittelt – weitere Schwerpunkte bilden Logistik, eHealth, eGovernment und Finanzen.

Einen Leuchtturm im Bereich Energie bildet das Reallabor SINTEG„Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende“. Dort werden „übertragbare Musterlösungen für eine sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung bei zeitweise 100% Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien entwickelt und demonstriert.“ Für das Reallabor SINTEG wurde auch eine eigene Verordnung erlassen, um durch Experimentierklauseln die Umsetzung der neuen Lösungen zu ermöglichen. Derzeit erproben fünf Modellprojekte in verschiedenen Regionen, sogenannte Schaufenster, die Energieversorgung der Zukunft: Unter dem Dach von SINTEG findet sich beispielsweise das Projekt C/sells, das eine intelligenten Netzsteuerung zur optimalen Nutzung erneuerbarer Energien erprobt. Daneben gibt es die enera App, die den eigenen Energieverbrauch auf dem Smartphone abbildet.

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