EU: Digitalpläne für die deutsche Ratspräsidentschaft
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Ab Juli übernimmt Deutschland den Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft. Innovative Mobilitätskonzepte und Digitalisierung sollen dann in der EU vorangebracht werden – soweit der Plan. Doch die Corona-Pandemie wird vieles durcheinanderbringen. Am Mittwoch befasst sich das Kabinett in einer Sondersitzung mit der deutschen Ratspräsidentschaft.
Deutschland übernimmt ab dem 1. Juli 2020 für sechs Monate die Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union. Der Plan dafür wurde erarbeitet, die Vorbereitungen laufen seit langem. Doch nun bringt Covid-19 alles durcheinander. Am Mittwoch wird sich die Bundesregierung im Anschluss an die Kabinettssitzung in einer Sondersitzung mit dem Programm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft befassen, wie die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Freitag ankündigte. Dabei werde es vor allem um die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Präsidentschaft gehen – sowohl inhaltlich als auch organisatorisch.
In einem Vorbereitungsdokument (Stand: 22. April) zu dieser Sitzung steht, dass „bis Ende Juli 2020 geplante Veranstaltungen voraussichtlich nicht physisch stattfinden können. Die Ressorts prüfen, inwieweit diese Veranstaltungen in einem anderen Format (z.B. virtuell) oder zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden können.“ Zu den politischen Inhalten ist zu lesen: Oberste Priorität haben Maßnahmen zur Krisenbewältigung. Vorrang wird außerdem Vorhaben eingeräumt, die bis Ende 2020 behandelt werden müssen. Darüber hinaus heißt es, „zentrale Gestaltungsschwerpunkte der bisherigen Programmplanung werden, soweit unter den gegebenen Umständen möglich und sinnvoll, weiter verfolgt“.
Der Parlamentarische Staatssekretär Steffen Bilger (CDU) ging in einem Schreiben vom 23. März an den Vorsitzenden des Verkehrsausschusses im Bundestag, Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), auf die Pläne des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) für die Ratspräsidentschaft ein. Aufgrund von Covid-19 können sich die Planungen aber noch verändern, betonte er. Das Ministerium wolle die Ratspräsidentschaft nutzen, um die Digital- und Verkehrspolitik voranzubringen und eine „nachhaltige, vernetzte und innovative Mobilität zu gestalten“. Der Verkehrsausschuss beschäftigte sich vergangenen Mittwoch mit den bisherigen „Themenschwerpunkten und Veranstaltungen“ des BMVI.
Veranstaltungen auf Ministerebene
Ursprünglich vorgesehen hatte das Ministerium unter anderem eine Ministerkonferenz zum Thema „Innovativer Güterverkehr – vernetzt, nachhaltig, digital“ inklusive der „Verabschiedung einer Berliner Erklärung zum Schienengüterverkehr und einer Diskussion zu innovativer Logistik„. Dies sollte am Rande der Schienenverkehrsmesse „InnoTrans“ in Berlin im September geschehen, die jetzt allerdings auf Ende April 2021 verschoben werden soll. Die Verkehrsminister der EU sollen sich außerdem informell Ende Oktober in Passau treffen. Thema ist die Digitalisierung der Mobilität, wozu auch einer „Passauer Erklärung“ veröffentlicht werden soll.
Daneben bereitet das BMVI Fachveranstaltungen vor. Voraussichtlich Anfang September soll in Bonn ein „Telecom Directors Meeting“ zur Diskussion über hochleistungsfähige Breitband-Netze stattfinden. Eine Konferenz zu „Open Data and Smart Mobility in Europe“ ist für 17. November in Leipzig geplant. Von 18. bis 19. November sollen anschließend die Digital Transport Days der EU-Kommission stattfinden.
In die Zeit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft fällt womöglich die von der EU-Kommission bisher für das vierte Quartal angekündigte „Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität“ (Mobilitätsstrategie). Das BMVI wolle in diesem Zusammenhang eine „moderne Mobilität vorantreiben, die Nachhaltigkeit und Klimafreundlichkeit aber gleichzeitig auch Innovation, Digitalisierung, Bürgernähe und Sicherheit im Verkehr klar in den Fokus nimmt“. Dabei gehe es auch darum, den Standort Europa zu stärken, schreibt Bilger.
Inhaltliche Schwerpunkte
Im Programmentwurf der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, Stand 17. März, war der „Ausbau der digitalen und technologischen Souveränität der EU“ ein zentraler Punkt. Europa soll „digital und technologisch souverän werden, um auch zukünftig aus eigener Kraft handlungsfähig zu bleiben“, hieß es in dem Papier. Dies dürfte infolge der Pandemie weiter gelten. Das Papier könnte trotzdem noch umfassende Änderungen erfahren. Neben der gemeinsamen Bewältigung der gesundheitlichen Herausforderung durch SARS-CoV-2 rückt die wirtschaftliche Erholung nach der Krise in den Mittelpunkt der Europapolitik. Trotzdem bleiben die bisherigen Aufgaben bestehen, weshalb wir folgend auch einen Blick auf die bisher geplanten inhaltlichen Schwerpunkte der Bundesregierung für die Ratspräsidentschaft geworfen haben.
Demnach will die Bundesregierung Regeln und Leitlinien für eine europäische „Data Governance“ voranbringen. Als Beispiele werden der Landwirtschaftssektor und die Datennutzung im Verkehrsbereich genannt. Für Gesundheitsdaten soll es „einen echten europäischen Gesundheitsdatenraum“ geben mit einem „Code of Conduct“ für deren Nutzung. Ein weiterer Schwerpunkt des Entwurfs aus dem März ist die Künstliche Intelligenz. Diskussionen rund um das von der EU-Kommission vorgelegte KI-Weißbuch sollen weitergeführt werden. Für den digitalen Binnenmarkt könnten wichtige Impulse von „Interoperabilität, Standardisierung und Open Source“ ausgehen. Zudem will Deutschland „bessere Haftungs- und Sicherheitsvorschriften für die Plattformökonomie und digitale Dienste“. Der Schutz des geistigen Eigentums soll von der EU in einer Gesamtstrategie vorangebracht werden.
Für den digitalen Wandel der Arbeitswelt sollen Bürger besser geschult werden. Deutschland will daher einen Schwerpunkt auf eine bessere digitale Teilhabe legen sowie „Kompetenzen für das digitale Zeitalter vermitteln“. Geplant war auch, eine „Europäische Digitale Identität“ aufzubauen, über die sich Bürger „im Cyberraum identifizieren können“. Digitalisierung soll ein Kernbereich europäischer Forschungs- und Entwicklungspolitik werden. Außenpolitisch will Deutschland die EU als „digitale Gestaltungsmacht neben den Technosphären USA und China“ positionieren. Dazu soll eine europäische Digitaldiplomatie in Form eines Netzwerks zwischen den Außenministerien aufgebaut werden. Ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung ist die Sicherheit im Cyberraum. Die europäische Cybersicherheitswirtschaft soll gestärkt und das Konzept „Security by Design“, das bestimmte Sicherheitsstandards schon bei der Entwicklung der Produkte berücksichtigt, vorangebracht werden. Entsprechende Rechtsakte sollen aktualisiert werden.
Die Koordination für das Programm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft liegt beim Auswärtigen Amt. Die einzelnen Ministerien werden in die Planungen eingebunden. Mit der Weiterentwicklung des Programmentwurfs wird sich zunächst das Bundeskabinett befassen, bevor es an den Bundestag weitergeleitet wird. Den Kalender für die Ratspräsidentschaft will das BMWi im Juni veröffentlichen.
Tagesspiegel Politikmonitoring
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf der Website des BASECAMP.