Datenstrategien: Was passiert in Deutschland und der EU?
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Die weltweite Datenmenge wird sich bis zur Mitte des Jahrzehnts verfünffachen. Auch die Art und Weise der Verarbeitung und Speicherung wird sich ändern, was neue Chancen für die europäische Wirtschaft liefert. Wie sich die Datenschätze der Zukunft unter der Wahrung europäischer Werte schöpfen lassen, darauf versuchen sowohl die Europäische Kommission, als auch die Bundesregierung Antworten zu geben.
Die herausragende Bedeutung von Daten für die Wirtschaft der Zukunft ist unbestritten. Sie sind der Grundstoff digitaler Innovationen – und ihre Menge steigt stetig an. Wurden 2018 weltweit rund 33 Zettabyte an Daten produziert, sollen nach einer Prognose des US-amerikanischen Marktforschungsunternehmens International Data Corporation (IDC) bis 2025 mit 175 Zettabyte mehr als die fünffache Menge anfallen. Zur Veranschaulichung um diese Zahl greifen zu können: Ein Zettabyte entspricht einer Billionen Gigabyte – um diese schiere Datenmenge zu transferieren, bräuchte man selbst mit einer Gigabit-fähigen Leitung rund 250 Jahre.
Der Mammutanteil der heutigen Datenmenge konzentriert sich auf eine kleine Zahl großer Technologieunternehmen – dies wird sich in Zukunft jedoch maßgeblich ändern. Während Daten aktuell überwiegend in Rechenzentren analysiert und verarbeitet werden, wird dies zukünftig durch Edge-Computing und dem Internet der Dinge verstärkt dezentral erfolgen. Ein Beispiel aus der Wirtschaft liefert die Vernetzung intelligenter Maschinen in der Industrie 4.0. Vor allem solche Industriedaten bieten noch enorme wirtschaftliche Potenziale. Doch wo stehen wir derzeit in Sachen Regulierung und welche Ziele verfolgen die Europäische Kommission und die Bundesregierung mit ihren Datenstrategien?
Europäische Datenräume für das öffentliche Wohl
Die EU-Kommission hat bereits vorgelegt und die europäische Datenstrategie am 19. Feburar zusammen mit der europäischen Digitalstrategie und dem Weißbuch zur Künstlichen Intelligenz veröffentlicht. Federführend an der Ausarbeitung der Datenstrategie war EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton, der die Veröffentlichung wie folgt kommentierte: „Unsere Gesellschaft erzeugt eine riesige Welle von industriellen und öffentlichen Daten, die unsere Art zu produzieren, zu konsumieren und zu leben verändern wird. Ich möchte, dass europäische Unternehmen und unsere vielen KMU auf diese Daten zugreifen und daraus einen Mehrwert für die Europäer schaffen können.“ Europa mag den Kampf im Bereich der persönlichen Daten verloren haben, aber es kann den Kampf um industrielle Daten und deren wirtschaftliche Nutzung gewinnen, zeigte sich Breton überzeugt.
Die EU-Datenstrategie setzt entsprechende Ziele: Europa soll seine Daten besser vernetzen und Wissen miteinander austauschen. Hierzu ist ein Cloud-Zusammenschluss in Form europäischer Datenräume für insgesamt neun Sektoren geplant. Dazu zählen: Industrie, Umwelt, Mobilität, Gesundheit, Finanzen, Energie, Landwirtschaft, öffentliche Verwaltung und Kompetenzen. Hierzu soll eine Reihe neuer Regeln für die grenzüberschreitende Datennutzung und deren Interoperabilität sowie Standards erarbeitet werden. Der entsprechende Rechtsrahmen wird zum vierten Quartal 2020 erwartet. Weitere ambitionierte Vorhaben der EU-Kommission: Der Aufbau einer europäischen Cloud für offene Wissenschaft bis 2025 und Maßnahmen, um die Kluft bei den digitalen Kompetenzen unter den Europäer*innen zu verringern.
Es soll auch viel investiert werden: Allein für das beschriebene „High-Impact-Projekt“ der europäischen Datenräume mit Cloud-Infrastruktur will die Kommission zwei Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Eine der Maximen bei allen Vorhaben: Das öffentliche Wohl. „Daten werden von der Gesellschaft hervorgebracht und können dazu dienen, Notlagen wie Überschwemmungen und Waldbrände zu bewältigen, den Menschen ein längeres und gesünderes Leben zu ermöglichen, öffentliche Dienstleistungen zu verbessern und die Umweltzerstörung und den Klimawandel zu bekämpfen“, heißt es in der Kommissionsstrategie.
Den Staat zum Vorreiter machen
Die Bundesregierung ist derzeit noch mit der finalen Ausarbeitung der nationalen Datenstrategie beschäftigt. Wohin die Reise führt, zeigt uns ein Eckpunktepapier, das am 18. November 2019 auf der Digitalklausur des Bundeskabinetts im brandenburgischen Meseberg verabschiedet wurde. Darin gibt die Bundesregierung für ihre Strategie ein klares Ziel aus: Die Bereitstellung von Daten soll signifikant steigen, die verantwortungsvolle Nutzung gefördert und Datenmissbrauch konsequent bekämpft werden. Zudem soll der Bildung neuer Datenmonopole vorgebeugt und eine gerechte Teilhabe gesichert werden. „Es gilt also, die Chancen zu nutzen und zugleich die Wahrung grundlegender Werte, Rechte und Freiheiten unserer Gesellschaft zu gewährleisten,“ heißt es dazu. Einen weiteren Schwerpunkt bilden mehr Datenkompetenz und die Schaffung einer Datenkultur. „Der Staat trägt hierbei besondere Verantwortung“, weshalb sich auch der „Bund als Vorreiter und Treiber einer verstärkten Datennutzung und Datenbereitstellung etablieren“ soll.
Die deutsche Datenstrategie wird sowohl den Umgang mit nicht-personenbezogenen als auch mit personenbezogenen Daten umfassen und soll Zivilgesellschaft sowie Wirtschaft und Wissenschaft einbeziehen. Die Gesellschaft soll befähigt werden, Daten effektiv und verantwortungsvoll zu nutzen. Erklärtes Ziel ist „eine Datenkultur, die sich verwirklicht in kollaborativen Arbeitsmethoden, auch in genossenschaftlichen wie gemeinwohlorientierten Initiativen […] und Transparenz“. Geplant sind daher auch unterstützende Maßnahmen seitens des Staates, um Open Source-Anwendungen und Open-Data sowie die gemeinsame Datennutzung voranzubringen.
Möglichkeiten zur öffentlichen Beteiligung
Zeitgleich zur Veröffentlichung der europäischen Datenstrategie wurde eine öffentliche Konsultation gestartet. Sowohl Fachöffentlichkeit als auch Zivilgesellschaft können noch bis zum 31. März an der entsprechenden Umfrage teilnehmen. Der erste Abschnitt behandelt grundsätzliche Fragen zur Datenstrategie und soll das Meinungsbild einfangen. Der zweite Abschnitt widmet sich konkreten Elementen künftiger Maßnahmen wie der Regelung zur Zweitnutzung von sensiblen Daten, beispielsweise Gesundheitsdaten für Forschungszwecke. Die Ergebnisse dieser öffentlichen Konsultation sollen dazu beitragen, die künftige politische Agenda für die EU-Datenwirtschaft zu gestalten.
Wie steht es um die deutsche Datenstrategie? Im Rahmen einer Expertenanhörung im Januar, teilte Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) mit, dass die Datenstrategie bis zur parlamentarischen Sommerpause stehen soll. Das genannte Treffen war auch Auftakt eines breiten Beteiligungsprozesses. Den nächsten Schritt bildet eine breite Online-Konsultation. Interessierte können noch bis zum 3. April rund 30 Fragen zu den Themenbereichen Datenkompetenz, Infrastruktur, Daten-Ökosysteme und Rahmenbedingungen beantworten. Die Ergebnisse sollen dann in die finale Strategieentwicklung einfließen.