Von-der-Leyen-Kommission: Digitales steht oben auf der Agenda
Pressefoto Ursula von der Leyen: BPA/Steffen Kugler
Endlich kann Ursula von der Leyen mit ihrer neuen Europäischen Kommission loslegen. Vor der Abstimmung über ihr Team im EU-Parlament am Mittwoch sprach sie noch einmal über ihre wichtigsten Ziele. Dabei ging sie auch auf ihre digitalen Pläne ein. Binnenmarktkommissar Thierry Breton spielt dabei eine wichtige Rolle.
Ursula von der Leyen kann aufatmen: Ihr Kommissionsteam für die Europäische Union ist am Mittwoch vom EU-Parlament bestätigt worden. Somit konnte sie ihre Arbeit als Kommissionspräsidentin am 1. Dezember offiziell aufnehmen. In ihrer Rede vor dem Parlament am Mittwoch, die sie auf Englisch, Französisch und Deutsch hielt, ging von der Leyen auch speziell auf die Digitalisierung ein. „Es gibt keine Zukunft ohne Digitalisierung und Margrethe Vestager ist diejenige, die uns auf diesem Weg weiterbringt“, sagte sie. Vestager, die seit 2014 Wettbewerbskommissarin ist, übernimmt in der Von-der-Leyen-Kommission zusätzlich die Rolle als eine von drei Vize-Präsident*innen und ist damit auch zuständig für die digitale Agenda. Dabei wird sie eng mit Binnenmarktkommissar Thierry Breton zusammenarbeiten, der von Frankreich nach der Ablehnung der ersten Wunschkandidatin Sylvie Goulard nachnominiert wurde.
Ex-Atos-Chef Breton für Datenstrategie verantwortlich
Breton soll für die EU-Kommission eine Datenstrategie entwickeln. Von der Leyen sagte, sie könne sich für diese Aufgabe „keine kompetentere Person“ vorstellen. Er war von 2005 bis 2007 französischer Finanzminister, danach unter anderem Chef von France Telecom und zuletzt Geschäftsführer des IT-Service-Anbieters Atos. Das Unternehmen macht nach eigenen Angaben einen Jahresumsatz von mehr als elf Milliarden Euro und bezeichnet sich als „europäischer Marktführer für Cloud, Cybersecurity und High Performance Computing“. Lobbywächter der NGO Corporate Europe Observatory kritisierten die enge Verstrickung zwischen Wirtschaft und Politik und empfahlen dem EU-Parlament die Ablehnung des Kandidaten.
Allein 2018 habe Atos fast 107 Millionen Euro an Fördergeldern von der EU-Kommission und ihren Organisationen erhalten. Außerdem habe es seit November 2014 insgesamt 24 Treffen zwischen hohen Beamten der Kommission und Atos gegeben. Dabei sei es hauptsächlich um die digitale Wirtschaft, die Industriestrategie und Cybersicherheit gegangen. Bei seiner Anhörung im EU-Parlament erklärte Breton, den Verhaltensregeln des Parlaments zu entsprechen. Noch vor der Anhörung habe er alle seine Aktien verkauft und sei von jeglichen Mandaten in Unternehmen oder Verbänden zurückgetreten. „Heute habe ich keine Aktien und keine Mandate mehr“, bekräftigte er.
Das für ihn von der neuen Kommissionspräsidentin vorgesehene Portfolio dürfte seinen Vorstellungen entsprechen: Breton soll Europas technologische Souveränität verstärken und dabei in Technologien wie Blockchain, High Performance Computing, Algorithmen, Datenaustauschs- und Datennutzungswerkzeuge investieren. „Das beinhaltet auch gemeinsam einen Standard für 5G-Netzwerke und Technologien der neuen Generation zu definieren.“ Außerdem soll er eine EU-Position zu Künstlicher Intelligenz koordinieren und ein neues Gesetz für digitale Dienste (Digital Services Act) auf den Weg bringen. Zu seinen weiteren Aufgaben gehört, einen „echten einheitlichen Markt für Cybersicherheit“, was Regeln und Zertifizierung betrifft, zu schaffen und eine Cyber-Einheit aufzubauen. Zu einem Aktionsplan zu digitaler Bildung soll Breton ebenfalls beitragen.
Nächste Supercomputer sollen in EU entstehen
Von der Leyen will Schlüsseltechnologien künftig „beherrschen und in Europa besitzen“. „Damit uns das aber gelingt, damit wir die vorhandenen Lücken schließen, müssen wir das zusammen angehen“, rief sie die Parlamentarier auf. Als Positivbeispiel nannte sie Supercomputer. Dass Europa derzeit dabei ist, auf dem Weltmarkt einen der drei leistungsstärksten Rechner zu erwerben, genügt ihr jedoch nicht. „Ich möchte, dass wir ihn in der nächsten Generation als Europäer selber bauen, das muss unser Ziel sein.“
Für den Bau von acht Supercomputern haben Vertreter der Supercomputing-Zentren am Dienstag die Hosting-Verträge unterzeichnet, wie die EU-Kommission mitteilte. Die Supercomputer sollen in Sofia (Bulgarien), Ostrau (Tschechische Republik), Kajaani (Finnland), Bologna (Italien), Bissen (Luxemburg), Minho (Portugal), Maribor (Slowenien) und Barcelona (Spanien) stehen. Ab der zweiten Jahreshälfte 2020 sollen sie den Betrieb aufnehmen. Im November vergangenen Jahres gründete die Kommission mit Unterstützung des Rates der EU das gemeinsame Unternehmen EuroHPC. Für die Finanzierung sind in der langfristigen EU-Haushaltsplanung 2,7 Milliarden Euro von 2021 bis 2027 vorgesehen.
Auch mit der Datenschutzgrundverordnung habe Europa einen Rahmen für die Welt gesetzt, sagte von der Leyen. Es gehe ihr nicht darum, den Datenfluss einzudämmen. „Es geht darum, dass wir die Regeln setzen, wie verantwortungsvoller Umgang mit Daten geht. Für uns Europäer hat der Schutz der digitalen Identität oberste und absolute Priorität. Uns ist das wichtig.“ Europa wolle aber auch Innovationen. Deshalb sollen ungenutzt, gesammelte Daten geteilt und in einem „sicheren Pool“ zur Verfügung gestellt werden. Cybersicherheit als „Kehrseite der Digitalisierung“ habe ebenfalls Priorität. Wissen über die Gefahren wollen wir teilen und eine gemeinsame Plattform, eine erweiterte Cyber-Agentur, schaffen, sagte die neue Kommissionspräsidentin.
Neuer EU-Datenschutzbeauftragter im Amt bestätigt
Am Dienstag wurde auch der bisher kommissarische EU-Datenschutzbeauftragte in seinem Amt bestätigt. Der polnische Jurist Wojciech Wiewiórowski war seit 2014 bereits Stellvertreter von Giovanni Buttarelli, der im August verstorben war. Wiewiórowski ist auf fünf Jahre gewählt, wie die Abstimmungen im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten bei der Europäischen Union (AStV) und im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments (LIBE) ergaben. Er setzte sich damit gegen Yann Padova aus Frankreich und Endre Szabó aus Ungarn durch.
Wiewiórowski sagte bei seiner Anhörung im EU-Parlament am 25. November er wolle sich für eine intelligente und innovative EU-Verwaltung einsetzen. „Sie sollte sich an neue Technologien und Geschäftsmodelle anpassen können und diese auch nutzen können, um den Datenschutz intelligenter und moderner zu gestalten“, sagte er. Parlament, Rat und Kommission werde er fachkundig beraten, „wie die größten Herausforderungen der kommenden Jahre“ bewältigt werden können. Dazu zählt er die Entwicklung und Einführung von KI-Systemen, biometrische Erkennung und Gesichtserkennung, die Blockchain und Quantencomputertechnik sowie Verschlüsselungstechniken. Für diese Techniken sollten im Rahmen des Datenschutzes wichtige Leitlinien vorgegeben werden.
Tagesspiegel Politikmonitoring
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf der Website des BASECAMP.