SZ-Wirtschaftsgipfel Salon: 5G entscheidend für den Wirtschaftsstandort Deutschland
Foto: Henrik Andree
Der neue Mobilfunkstandard 5G steht nicht nur für deutlich schnellere und bessere mobile Datenverbindungen. Sehr kurze Reaktionszeiten und andere technische Merkmale machen 5G auch zur Grundvoraussetzung für zahlreiche Zukunftstechnologien. Wo Deutschland beim Ausbau der Netze steht, welchen Rückstand Europa im Vergleich zu den USA und China aufzuholen hat und welche Chancen 5G für die deutsche Industrie bietet, das waren die Fragen des Abends beim SZ-Wirtschaftsgipfel Salon am Montag im BASECAMP.
Kann die Aufholjagd noch gewonnen werden? Und was sind die Voraussetzungen dafür? Diese Fragen beschäftigten die Expertenrunde, darunter Valentina Daiber, Vorstand Recht und Corporate Affairs, Telefónica Deutschland. Motto des Abends: Netze der Zukunft – Schafft Deutschland den Anschluss bei der digitalen Infrastruktur?
Was denn der Status Quo sei und welche Strategie die Bundesregierung verfolge, wollte Moderatorin Cerstin Gammelin, stellvertretende Redaktionsleiterin im Parlamentsbüro Berlin der Süddeutschen Zeitung, einführend wissen. Besonders bei der flächendeckenden Netzversorgung gäbe es in Deutschland Nachholbedarf, antwortete Thomas Jarzombek, Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt und Beauftragter des BMWi für die Digitale Wirtschaft und Start-Ups. Allerdings habe man hier beim Mobilfunk-Gipfel 2018 mit der Verpflichtung der Mobilfunkanbieter, 99 Prozent der Haushalte bis Ende 2020 mit LTE zu versorgen, einen Sprung nach vorne gemacht. Im Gegenzug räumt der Staat den Unternehmen bessere Zahlungsbedingungen für die unlängst ersteigerten Frequenznutzungsrechte ein. Außerdem, betonte er, müsse man den oft zitierten Aufholbedarf Deutschlands auch mal differenziert betrachten. So sei die Bundesrepublik bei der Einführung von LTE vorne dabei gewesen. Und mit der Bereitstellung lokaler 5G-Frequenzen für sogenannte Campus-Netzwerke habe Deutschland nach Ansicht von Jarzombek sogar eine Vorreiterrolle inne.
Netzausbau: Flächendeckende Abdeckung mit LTE ist Grundlage
Für Andreas Müller, Head of Communication and Network Technology bei Robert Bosch, ist klar, dass das wirkliche Potential von 5G in den Unternehmensanwendungen liege. Die Campus-Netzwerke mit ihren hohen Datenraten ermöglichten nicht nur innovative Produktionslösungen, sie böten auch ein hohes Maß an Sicherheit. „Wir gehen davon aus, dass sich in der Industrie durch 5G drahtlose Lösungen durchsetzen werden“, bestätigte Michael Ziesemer, Präsident des ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. Dies sei ein wesentlicher Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und deshalb müsste die Zuteilung der lokalen Frequenzen sowie damit verbundene Kosten schnellstmöglich geklärt werden.
Auch sie sehe den Bedarf für 5G vor allem in der Industrie und zunächst weniger im Privatkundenmarkt, sagte Valentina Daiber: „Bis zu einer Massenmarktfähigkeit von 5G wird es noch dauern.“ Die Begründung: die neu vergebenen Frequenzen seien gar nicht geeignet, um in die Fläche zu gehen und auch 5G-fähige Endgeräte sind noch rar. Dem stimmte Anja Misselbeck, Head of Regulatory Affairs C.A.S.E. – Connectivity, Automated Driving, Shared & Services bei der Daimler AG, zu. Für ihren Konzern sei eine flächendeckende Verfügbarkeit von 4G, insbesondere entlang aller Verkehrsnetze, dringlicher als von 5G. Es gäbe schon jetzt viele digitalisierte Fahrzeug-Funktionen, die ausnahmslos alle mit 4G liefen.
Kostenfrage: Wirtschaft fordert schnelle Klärung
Daiber erklärte, dass alle Investitionen, die jetzt in 4G getätigt würden, die Grundlage für ein künftiges 5G-Netz seien. Zur Frage, welche Kosten nun zu erwarten seien und wie sich diese auf die unterschiedlichen Technologien verteilen würden, sagte sie, die Gesamtbranche rechne mit Beträgen im mehrstelligen Milliardenbereich. Man müsse den Smartphone-Vertrag von den professionellen Services unterscheiden, stellte Jarzombek klar. Was in einem industriellen Rahmen installiert werde, müsse ganz anderen Qualitätsstandards genügen.
Es müsse sich elementar etwas an der Frequenzpolitik in Deutschland ändern, forderte Daiber. Wenn die 66 Milliarden Euro, die die Mobilfunkunternehmen in Deutschland seit der Einführung von 3G insgesamt für Lizenzen an den Bund gezahlt hätten, in die Infrastruktur investiert worden wären, müsste man nun gar nicht über weiße Löcher diskutieren. Auf die Frage, was sie sich von der Politik wünsche, sagte sie: „Frequenzverlängerungen statt Auktionen, Möglichkeiten für Kooperationen zwischen den Netzbetreibern und ein Förderprogramm für den Lückenschluss.“