EU-Kommission: Digitalpolitische Leitlinien der neuen Kommissionspräsidentin

Foto: CC0 1.0, Pixabay / Jai79 / Ausschnitt bearbeitet
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Veröffentlicht am 25.07.2019

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Ihre Politischen Leitlinien für die Europäische Union hat die neugewählte Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen (CDU), unter das Motto „A Union that strives for more“ gestellt. Von der Leyen wird ihr Amt am 1. November antreten und fünf Jahre an der Spitze der Kommission stehen. Auf Basis ihrer Leitlinien und der Vorarbeit von Europäischem Rat, Rat der EU und Europäischem Parlament will die Kommissionspräsidentin bis Jahresende ein Arbeitsprogramm entwickeln, das erstmals jahresübergreifend angelegt sein soll.

Digital- und Netzpolitik in den Politischen Leitlinien

Die Präsidentin der Kommission legt gemäß Vertrag über die Europäische Union „die Leitlinien fest, nach denen die Kommission ihre Aufgaben ausübt“. Erste inhaltliche Leitlinien hat Ursula von der Leyen in ihrer „Agenda for Europe“ für die Jahre 2019 bis 2024 festgehalten. Darin betont von der Leyen unter anderem, für eine „faire Besteuerung“ von Unternehmen sorgen zu wollen, da diese das Fundament einer Sozialen Marktwirtschaft“ sei und merkt dazu an:

„The EU and international corporate tax systems are in urgent need of reform. They are not fit for the realities of the modern global economy and do not capture the new business models in the digital world.“

Die Besteuerung von großen Tech-Unternehmen sei daher eine ihrer Prioritäten. Sollten die Bestrebungen auf Ebene der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zur Einführung einer internationalen Lösung bis Ende 2020 keine Ergebnisse zeigen, setze sie sich dafür ein, dass die Europäische Union allein tätig wird, schreibt von der Leyen in ihrer Agenda.

Fairness ist auch der gedankliche Ausgangspunkt von drei weiteren Punkten in den Politischen Leitlinien der neu gewählten Kommissionspräsidentin. So kündigt sie an, in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit einen Legislativvorschlag vorzulegen, mit dem sichergestellt wird, dass die Arbeitnehmer in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten einen „fairen Mindestlohn“ bekommen. In der Digitalwirtschaft will von der Leyen zudem die Arbeitsbedingungen von Plattformarbeitern verbessern. Mit Blick auf die Gesamtwirtschaft will die neue Kommissionspräsidentin die Geschlechtergleichheit und dabei insbesondere die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern durch eine „European Gender Strategy“ adressieren.

Was die Innovationskraft Europas anbelangt, will Ursula von der Leyen insbesondere kleine Unternehmen dabei unterstützen, zu Innovatoren zu werden. Dafür kündigt sie eine Strategie zu kleinen und mittleren Unternehmen an, die die Finanzierungsmöglichkeiten in der Wachstumsphase verbessern helfen und unnötige bürokratische Belastungen reduzieren soll. Um „technologische Souveränität“ in „some cirtical technology areas“ zu erreichen, will von der Leyen in die Blockchain-Technologie, Hochleistungsrechner und Quantencomputer, sowie in Algorithmen und Werkzeuge zum Teilen und Nutzen großer Datenmengen investieren. Für all diese Bereiche soll die EU Standards definieren, die sich global durchsetzen können. Direkt zu Beginn ihrer Amtszeit will von der Leyen außerdem Gesetzesvorschläge mit gemeinsamen europäischen Regeln und Normen zur Entwicklung und Nutzung von künstlicher Intelligenz vorlegen, die auf die bisherige Arbeit der Kommission aufbauen sollen.

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Weitere Punkte auf von der Leyens Digitalagenda sind gemeinsame Standards für 5G-Netze, die Einrichtung einer „joint Cyber Unit“ zur besseren Zusammenarbeit bei der Cybersicherheit sowie die Verabschiedung neuer gesetzlicher Regelungen zu digitalen Dienstleistungen. Ziel der neuen Gesetzgebung sei es, den Digitalen Binnenmarkt zu vollenden und Fragen von Sicherheit und Haftung in Bezug auf digitale Plattformen zu regeln.

Ein weiteres großes Thema für von der Leyen ist die digitale Bildung. So will sie den „Digital Education Action Plan“ überarbeiten, um die generationenübergreifende Vermittlung digitaler Fähigkeiten zu verbessern und bis 2025 eine „European Education Area“ errichten, um den grenzübergreifenden Zugang zu Bildungsangeboten zu erleichtern und den Fokus der Bildungsangebote auf lebenslanges Lernen zu verschieben.

Reform und Demokratisierung der EU

Gemeinsam mit Parlament und Rat will Ursula von der Leyen in die Diskussion mit den europäischen Bürgern eintreten. Dazu soll 2020 eine „Conference on the Future of Europe“ mit klarem thematischen Umriss und klaren Zielen ins Leben gerufen werden und zwei Jahre lang arbeiten.

„The Conference should bring together citizens, including a significant role for young people, civil society and European institutions as equal partners“,

schreibt von der Leyen zur Teilnehmerschaft. Darüber hinaus stellt von der Leyen klar, dass sie bereitstehe, die Beschlüsse der Konferenz aufzunehmen, wenn angemessen, auch durch Legislativvorschläge oder die Änderung des Vertrags über die Europäische Union.

Hinsichtlich der weiteren Demokratisierung der EU erklärt von der Leyen, dass sie ein Initiativrecht des EU-Parlaments bei der Gesetzgebung befürwortet. Sie sichert dem Parlament zudem zu, dass sie grundsätzlich Legislativvorschläge vorlegen wird, sollte das Parlament Resolutionen mit der Mehrheit seiner Mitglieder beschließen, die die Kommission auffordern, entsprechend tätig zu werden. Darüber hinaus will die neue Kommissionspräsidentin Parlament und Rat bei allen Gesetzgebungsverfahren gleichstellen. Beschlüsse zur Klima-, Energie-, Sozial- und Steuerpolitik sollen im Rat zukünftig nach dem Mehrheits- anstatt des Einstimmigkeitsprinzips gefällt werden.

Gemeinsam mit Rat und Parlament will Ursula von der Leyen bis 2024 auch das System zur Benennung des EU-Spitzenpersonals überprüfen. Sie selber unterstütze die Verbesserung des Spitzenkandidatensystems. In diesem Kontext, so von der Leyen, sollten auch transnationale Wahllisten thematisiert werden. Zum Aspekt des Wahlsystems wünscht sich von der Leyen auch Vorschläge von der Zukunftskonferenz. Dafür setzt sie eine Frist bis zum Sommer 2020 – damit die neuen Regeln pünktlich zur Wahl des Europäischen Parlaments im Jahr 2024 in Kraft treten können.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Hendrik Köstens schreibt als Chef vom Dienst zur Energie- und Klimapolitik.

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