Zukunftskongress Staat und Verwaltung: Bundes-CIO Klaus Vitt zu E-Government- und IT-Sicherheitsvorhaben
Beim Zukunftskongress Staat und Verwaltung, der vom 18. bis 20. Juni in Berlin stattfand, sollte eigentlich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) seine Vision für den digitalen Staat im Jahr 2021 darlegen. Ob der politischen Situation wurde er von Klaus Vitt, Bundes-CIO und Staatssekretär im Bundesinnenministerium (BMI), vertreten. Dieser lieferte viele Details sowohl zu im Koalitionsvertrag verabredeten als auch zu neuen Vorhaben in den Bereichen E-Government und IT-Sicherheit sowie zur Koordinierung der Digitalpolitik in der Bundesregierung.
Datenpolitik
Im Kontext der Neuordnung der Abteilungen im BMI sprach Klaus Vitt über die Daten-Ethikkommission, dessen Federführung das BMI zusammen mit dem Bundesjustizministerium (BMJV) innehat.
„Wir müssen uns zu Big Data als Prinzip der digitalen Schatzsuche bekennen und gleichzeitig die Regeln dafür neu justieren“, so Vitt.
Es bleibe dabei die „Kernaufgabe des Staates, die Daten seiner Bürger zu schützen“. Er erläuterte die drei Leitfragen, mit denen sich die Kommission beschäftigen soll, nachdem sie diesen Sommer eingesetzt wird. Es werde vordergründig um die Themenkomplexe „Algorithmenbasierte Prognosen und Entscheidungen“ – im Fachjargon ADM-Systeme –, Künstliche Intelligenz sowie Datenökonomie bzw. die Nutzungsrechte an Bürgerdaten gehen.
Once-Only-Prinzip 2.0
Darüber hinaus legte Vitt dar, wie die weitere konsequente Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes (OZG) erfolgen soll. Notwendig dafür seien u.a. eine neu gestaltete Registerlandschaft und die Einfügung des Once-Only- Prinzips – wie im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vorgesehen. Bei der Frage nach weiteren Änderungen an den gesetzlichen Rahmenbedingungen für bestimmte Bereiche der Verwaltungsdienstleistungen, die digitalisiert werden sollen, ging er auf das Projekt „ELFE“ (Einfach Leistungen für Eltern) ein, das derzeit in Bremen pilothaft erprobt wird und die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse rund um die Geburt eines Kindes voranbringen soll. Seiner Vorstellung nach werden einzelne Verwaltungsdienstleistungen – wie ELFE – nach und nach digitalisiert und die rechtlichen Grundlagen dafür entsprechend angepasst. Bremen plane derzeit eine entsprechende Bundesratsinitiative, so Vitt. Ein entsprechender Antrag ist seitens des Landes Bremen noch für den nächsten Bundesrat am 6. Juli vorgesehen. Das Bundesland hat die Initiative noch nicht eingereicht, weil noch Kabinettsbeschlüsse in Unterstützer-Ländern abgewartet werden, bestätigte die Bremer Finanzbehörde auf Nachfrage des Tagesspiegel Politikmonitorings. Ebenso kleinteilig scheint der Ansatz der Bundesregierung bei den Registern zu sein: Auf Nachfrage des Normenkontrollratsvorsitzenden Johannes Ludewig, ob es ein großes „Registermodernisierungsgesetz“ geben wird, antwortete Vitt, dass es eher einen schrittweisen Ansatz geben wird.
Neu waren Vitts Pläne für die Weiterentwicklung des Once- Only-Prinzips zum Prinzip „Once Only 2.0“.
„Die Idee ist, dass Daten nicht nur alleine für den verwaltungsinternen Gebrauch genutzt werden. Vielmehr wird die Verwaltung zu einem echten Datenbroker“, erläuterte Vitt.
Sofern der Bürger einwilligt, könnte die Verwaltung auch Daten an zertifizierte Dritte übermitteln und so weitere Dienstleistungen anbieten. Als Beispiel nannte der das Szenario Umzug:
„Nicht der Bürger wird sich selbst ummelden müssen, sondern ein Dienstleister, z.B. eine zertifizierte Hausverwaltung, übernimmt dies für ihn. Die Hausverwaltung wird sozusagen in den gesamten Prozess eingebunden.“
Dieser Vorschlag des Kompetenzzentrums Öffentliche IT für Berlin habe besonderes Potenzial für die Stadtstaaten, mutmaßte Vitt gegenüber dem Tagesspiegel Politikmonitoring.
Nutzerorientierung First
Um noch mehr „Nutzerorientierung First“ in die Verwaltung zu injizieren, hat der Bundes-CIO Pläne für eine im BMI angesiedelte E-Government-Agentur. Dieses „Think-and-do-tank“ soll ein „strukturelles, breitgefächertes Innovations-management für die Bundesverwaltung“ bilden. Die wissenschaftliche Unterstützung soll in Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum Öffentliche IT beim Fraunhofer-Institut FOKUS erfolgen, darüber hinaus sei eine Zusammenarbeit mit Innovationseinheiten auf Länder- und Kommunalebene denkbar. Die Agentur wolle drei Bereiche in den Blick nehmen: Im Bereich Wirtschaft, will die Agentur einen Überblick über die Landschaft der E-Government-Anbieter geben und dabei insbesondere auch Startups untersuchen. Im Bereich Zivilgesellschaft müsse die Agentur auch die bestehenden Anwendungen, die für ehrenamtliche Zwecke entstanden sind, evaluieren. Im Bereich Verwaltung wolle man die gesamte Transformation der Anwendungen begleiten und dafür auch „verwaltungsinterne Startups“ und Labore erproben. Vitt stellt sich vor, so bald wie möglich mit einem kleinen Aufbaustab von zwei bis drei Leuten im BMI zu beginnen, das Projekt schrittweise zu vergrößern, um voraussichtlich im Sommer 2019 als Agentur realistisch arbeitsfähig zu sein.
Bundesverwaltung
Der Bund müsse auch sein „eigenes Haus aufräumen“, stellte Vitt fest.
„Wir werden in der Bundesverwaltung flächendeckend die E-Akte implementieren, wir werden Rechnungen künftig nur noch elektronisch annehmen und weiterverarbeiten, wir werden Gesetzgebungsverfahren – als einer der letzten Staaten weltweit – digital komplett ausführen, vom ersten Referentenentwurf über Ressortabstimmung und Parlament“,
fasste er die Vorhaben zusammen. Für alle Gesetzentwürfe und Stellungnahmen soll es demnächst eine zentrale Website geben.
IT-Sicherheit
Vitt sprach auch über Herausforderungen im Bereich Cyber-und IT-Sicherheit – da „ein angemessenes Schutzniveau heute kein Garant für eine erfolgreiche Abwehr der Angriffe von morgen“ sei. Er plant, das Cyber-Abwehrzentrum zu einer zentralen ressortübergreifenden Koordinierungsstelle weiterzuentwickeln. Bei der Fortentwicklung des IT-Sicherheitsgesetzes stelle sich derzeit die Frage nach der Ausdehnung auf weitere Unternehmenskreise bis hin zum kleinen, mittelständischen Unternehmen. Vitt gab aber auch zu bedenken, dass eine rein reaktive Cyberabwehr aus Sicht der Bundesregierung auf Dauer nicht haltbar sei.
„Wir benötigen als letzten Schritt auch Möglichkeiten für eine aktive, zivile Abwehr“, so Vitt.
Die aktive Abwehr prüfe die Bundesregierung derzeit. Ein aktuelles Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages verweist auf die verfassungsrechtlichen Bedenken bei „Hackbacks“, also aktiven Gegenmaßnahmen des Staates im Cyberraum. Ob der Komplexität der Fragestellungen in diesem Bereich sei es das Ziel der Bundesregierung, „zeitnah“ Vorschläge zu machen.
Schlüsseltechnologien
Eine weitere Agentur im Aufgabenbereich des BMI entsteht in Zusammenarbeit mit dem Bundesverteidigungsministerium. Die im Koalitionsvertrag vorgesehene „Agentur für Disruptive Innovationen in der Cybersicherheit und Schlüsseltechnologien“ (ADIC) soll die Förderung bahnbrechender Cybersicherheits-Technologien und der dafür notwendigen Schlüsseltechnologien sicherstellen. Aus Sicht des Bundes-CIO bestehe die Gefahr, dass die „digitale Souveränität mehr und mehr verloren“ geht, weil wichtige Schlüsseltechnologien aus Amerika oder Fernost importiert würden. Die neue Agentur solle deshalb dort greifen, wo nationale oder europäische Forschungsprogramme bisher keinen ausreichenden Beitrag leisten – um den
„Bedarf der Wirtschaft und des Staates, inklusive militärischer Anwendung, mittel- und langfristig zu sichern“, so Vitt.
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Lina Rusch ist Analystin für Netzpolitik.