Neue Initiative: EU-Kommission will europäische Plattform für Filme

Foto: CC BY 2.0 Flickr User Indi Samarajiva. Bildname: Savoy 3D Cinema. Ausschnitt bearbeitet.
Veröffentlicht am 22.02.2018
Foto: CC BY 2.0 Flickr User Indi Samarajiva. Bildname: Savoy 3D Cinema. Ausschnitt bearbeitet.

Eine neue Initiative der EU-Kommission dürfte bei den Plattformanbietern für digitale Medien und Rundfunkanbietern für Diskussionen sorgen. Wie die Digitalkommissarin Mariya Gabriel am 19. Februar beim European Film Forum im Rahmen der Berlinale ankündigte, will die Kommission eine Online-Plattform für europäische Filme fördern. Wie genau eine solche Plattform aussehen soll, will die Kommission in den nächsten Monaten im Dialog mit Filmemachern, Produktionsfirmen, Sendern und anderen Stakeholdern ausloten. Mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring sprach Roberto Viola, der Generaldirektor der DG Connect der Kommission für Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien, über die Plattform-Pläne und die europäische Digitalpolitik in Abwesenheit einer voll funktionsfähigen deutschen Regierung.

Das Grundproblem ist nach Ansicht der Kommission, dass europäische Filme schwer auffindbar sind. „Das betrifft uns alle, die Filmwirtschaft, aber auch den öffentlichen Sektor, der den Kultursektor fördert,“ so Viola.

Im Prinzip hätten aber beide Seiten dasselbe Ziel: Europäer sollen mehr europäische Filme sehen können. Um aber den Flickenteppich an Lizenzen in den EU-Mitgliedstaaten zu überwinden, soll nun eine von der Kommission geförderte Plattform her.

Im ersten Schritt soll eine Datenbank aufgebaut werden, in der Informationen zu europäischen Filmproduktionen gesammelt und die verschiedenen Zugriffsmöglichkeiten in den europäischen Ländern veranschaulicht werden. Im zweiten Schritt spielt die Kommission mit der Idee einer Plattform. „Man kann das Ganze auch weiterdenken,“ erläutert Viola. Zwei Varianten kommen für den Generaldirekter der DG Connect infrage. „Die kommerziellen Anbieter könnten über ein Plug-In in einem solchen System den Usern zusätzliche Filme aus der europäischen Datenbank anbieten.“ Oder aber:

„Wenn die Rechteinhaber dem Verleih über eine europäische Plattform grundsätzlich zustimmen, könnten Nutzer aber auch dort direkt für einen Film bezahlen, der in ihrem Land noch nicht verfügbar ist.“

Ein solches Payment-System für einzelne Filme, bieten etwa Amazon oder iTunes seit Jahren an. In welche Richtung der Kommissions-Vorstoß gehen wird, sollen die kommenden Monaten zeigen.

Ziel ist es laut Viola, schon Ende 2018 mit einem Prototypen für eine solche Datenbank an den Start zu gehen. „Lasst uns sicherstellen, dass man diese Inhalte auch finden kann,“ fordert der Italiener, der seit 2012 bei der EU-Kommission tätig ist.

„Dafür müssen wir die Metadaten zu diesen Werken in einer Datenbank sammeln, damit sie von Nutzern, Filmverleihen und all denjenigen, die den Film in anderen Ländern zugänglich machen wollen, gefunden werden können.“

Die Datenbank könnte auch Innovationen in der Filmwirtschaft fördern, meint Viola einen Tag nach einem Treffen mit Start-ups.

„Blockchain-Technologie ist fantastisch für das Film-Business, weil man damit die Transaktionskosten aller Beteiligten an einer Produktion über ‚Smart Contracts‘ regeln kann,“ so Viola, „das geht aber nur, wenn die Daten zu den Produktionen an einer Stelle gesammelt werden. Auch dafür wäre so eine Datenbank sinnvoll.“

„Darüber, wie ein solches System gesteuert wird, ob es zum Beispiel eine öffentliche Aufsicht geben soll, müssen wir uns in den kommenden Monaten verständigen,“ kündigt Viola an. Auch ist noch unklar, ob das „europäische Netflix“ – wie das Original – auch Serien umfassen soll. „Ich kann mir gut vorstellen, dass wir das Projekt im zweiten Schritt auf Serien ausweiten.“ Denn auch die Kommission sehe: „Das Serien-Genre und das Film-Genre verschwimmen heutzutage mehr und mehr.“

Verhaltene Reaktionen auf Quote

Im vergangenen Jahr hat die EU-Kommission eine Quote für Netflix, Amazon & Co. vorgeschlagen – europäische User sollen zukünftig 30 Prozent europäische Inhalte angeboten bekommen – ob sie das Angebot annehmen, bleibt ihnen überlassen. „Die Quote ist ein wichtiger Schritt. Die Mitgliedstaaten haben dazu alle unterschiedliche Regeln. Eine EU-weite Mindestanforderung an die Plattformbetreiber ist unserer Meinung nach aber notwendig,“ verteidigt Viola den Vorstoß, der bei den amerikanischen Konzernen auf wenig Zustimmung gestoßen ist.

Die Diskussion um eine europäische Filmeplattform ist nicht neu. Zuletzt im Januar hatte der neue ARD-Vorsitzende, BR-Intendant Ulrich Wilhelm, für eine „gemeinsame Plattform aller Qualitätsanbieter“ geworben und auch die europäische Ebene ins Gespräch gebracht.

Der Vorschlag der EU-Kommission kommt pünktlich zum Beginn des Europäischen Kulturerbejahrs 2018 – das Jahr, in dem auch der digitale Binnenmarkt in der EU seinen konkreten Nutzen für die Bürger entfalten soll. Einige Gesetzesvorhaben, die das Ziel haben, den Zugang zu digitalen Medien auszubauen, liegen noch auf dem Verhandlungstisch in Brüssel. Bei der Berlinale sagte die Digitalkommissarin, dass sie auf eine baldige Abstimmung im Parlament zur Urheberrechtsreform hoffe. Laut Julia Reda, der Urheberrechtsexpertin der Grünen-Fraktion im EU-Parlament, ist die Abstimmung im federführenden Rechtsausschuss für den 24. April angesetzt, d.h. erneut verschoben worden. Zu der Abstimmung im Plenum steht auf ihrer Website nur „Summer 2018?“. Erst dann können die Trilog-Verhandlungen beginnen. Ob diese, wie von der Kommission avisiert, bis Ende des Jahres abgeschlossen werden können, ist zumindest fraglich. Zum Zusammenhang der angekündigten Plattform-Initiative sagte Viola:

„Das Ziel, das Urheberrecht europäischer zu machen, und das Ziel, europäische Filme auf einer Plattform anzubieten, schließen sich nicht aus.“

Die Trilog-Verhandlungen zu den neuen Regeln für Online-Übertragungen, mit denen die so genannte SatCab-Richtlinie überarbeitet werden sollen, sollen laut Viola in der kommenden, der letzten Februarwoche beginnen.

Weitere Initiativen der Kommission zum digitalen Binnenmarkt, wie die E-Privacy-Verordnung, könnten den Zeitplan ebenfalls voll ausreizen. Roberto Viola geht weiterhin von dem im Januar von der EU-Kommission angekündigten Zeitplan aus, nach dem die bulgarische Ratspräsidentschaft ein Verhandlungsmandat im Rat erreichen und die österreichische Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte einen Abschluss der Trilogverhandlungen erreichen soll. Parlament und Kommission seien bereit, so Viola. Zu der Frage „Wie?“ sagte Viola im Interview: „Das Schlüsselwort ist Kompromiss”. Wie auch die deutsche Regierung in ihrem Koalitionsvertrag festhält, müsse ein fairer Ausgleich zwischen den weit auseinandergehenden Interessen erreicht werden. Einerseits müssten die Grundrechte gewahrt werden.

„Gleichzeitig wollen wir faire Wettbewerbsbedingungen schaffen und dafür sorgen, dass diejenigen Anbieter, die die Einwilligung ihrer Nutzer zur Datenverarbeitung einholen, damit neue Geschäftsmodelle ausprobieren können,” so Viola.

Deutsche Präsenz in Brüssel

Daran, dass eine geschäftsführende deutsche Regierung sich nicht ausreichend in Brüssel einbringt, dürften die Verspätungen im Zeitplan jedenfalls nicht liegen. Viola machte im Interview deutlich, dass die Bundesregierung, den Übergang gut organisiert habe:

„Natürlich warten wir jetzt darauf, dass der Koalitionsvertrag final besiegelt wird, damit es wieder eine voll funktionsfähige Regierung gibt. Aber die Präsenz der Deutschen in Bezug auf Digitalthemen hat zu keinem Zeitpunkt abgenommen in den vergangenen Monaten. Außerdem bin ich Deutschland persönlich dafür dankbar, dass es eine konstruktive Rolle beim digitalen Binnenmarkt eingenommen hat und an das Ziel glaubt. Ein Blick in den Koalitionsvertrag gibt uns Anlass für Optimismus, dass das auch so bleibt.”

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoringauf UdL Digital. Lina Rusch schreibt über Netzpolitik und beobachtet die Landespolitik. 

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