Wolfgang Gründinger: Alte Säcke verspielen Deutschlands Zukunft
Der Mann nimmt kein Blatt vor den Mund. Das konnten wir neulich selbst erleben. In seinem Buch „Alte Säcke Politik“, das in der vergangenen Woche bei Young + Restless im Telefónica BASECAMP vorgestellt wurde, rechnet Wolfgang Gründinger mit den herrschenden Verhältnissen in Deutschland ab. Politiker, Manager und Meinungsführer bekommen ihr Fett weg, weil sie nach der Meinung des 32-Jährigen unsere Zukunft verspielen.
Vor allem bei der Digitalisierung und überfälligen Reformen würden Chancen verpasst, weil Stillstand und Selbstgefälligkeit regierten, kritisiert Wolfgang Gründinger in unserem Interview. Wir führten es gleich nach der Buchvorstellung im Telefónica BASECAMP, die ein voller Erfolg war.
Wer sind eigentlich diese alten Säcke?
Das sind diejenigen Politiker, Manager und Meinungsführer, die lieber die Vergangenheit bewahren als die Zukunft gestalten wollen. Aber es sind auch viele von uns, die sie dazu antreiben oder dabei gewähren lassen. Deshalb können auch junge Menschen zu diesen alten Säcken gehören, wenn sie lieber Barrikaden um ihre gewohnte Gegenwart errichten statt welche niederzureißen. Es geht also nicht um ein Methusalem-Komplott der Alten gegen die Jungen.
Und was machen diese alten Säcke so falsch?
Unsere Politik ist kurzatmig und verwaltet den Stillstand, damit sich die jetzige Gegenwart auf ewig verlängert. Hier werden Stadtschlösser aus längst vergangenen Zeiten wieder aufgebaut, während Jugendclubs schließen müssen. Die Regierung schnürt milliardenschwere Rentenpakete, aber Förderprogramme für Kindergärten werden auf Eis gelegt, weil die Kassen angeblich leer sind. Der Ausbau von Glasfaser-Internet tritt auf der Stelle und in den Schulen wird immer noch Latein und Altgriechisch gelehrt, während Informatik und Programmieren nur Randnotizen auf dem Lehrplan sind. Kurzum: Die aktuelle Politik schwelgt in der Vergangenheit, statt die Zukunft vorzubereiten.
Was kritisieren Sie mit Ihrem Buch?
Der demografische Wandel legt sich langsam wie Mehltau über das Land. Immer mehr Menschen haben den größten Teil ihrer Lebenszeit bereits hinter sich gebracht und kein Interesse mehr an der Zukunft. Sie richten sich bequem in der Gegenwart ein und konzentrieren sich auf die Sicherung ihres Status Quo. Am besten soll alles so bleiben, wie es schon immer war.
Auch die Bundesregierung macht ihre Politik bevorzugt für die Generation der Babyboomer, die keine Experimente wünscht, sondern ihre Ruhe haben will. Deswegen müssen wichtige Zukunftsprojekte wie Energiewende, Infrastrukturpaket oder Bildungsreform hinten anstehen – und die Regierung von Angela Merkel dürfte beinahe die Hälfte ihrer selbst gesetzten Nachhaltigkeitsziele verfehlen.
Das Problem ist, dass sich kaum jemand daran stört, weil es uns ziemlich gut geht. Wen kümmert da schon die Zukunft? Wir fühlen uns wohl in unserer Bequemlichkeit und schotten uns ab: gegen Griechenland und Globalisierung, gegen Flüchtlinge und Freihandel.
Und was wollen Sie erreichen?
Liebe Alte: Sagt ihr nicht immer, dass es Euren Kindern einmal besser gehen soll? Dann vergesst diesen Wunsch nicht! Und gebt ihnen Mitspracherechte – überall, wo es um unser Leben geht. Dafür müsst ihr leider auch einige Privilegien abgeben und bereit sein, Euch kritisch zu hinterfragen. Nur dann können wir gemeinsam das Land enkeltauglich machen. Auch die Alten haben eine Pflicht zur Solidarität und der Generationenvertrag ist keine Einbahnstraße.
Was läuft denn momentan besonders falsch?
Es wird zu viel verschleppt: Der demografische Wandel, die digitale Revolution, Umweltverschmutzung und soziale Ungleichheit werden zwar in Sonntagsreden abgehandelt. Aber Taten folgen diesen Worten entweder überhaupt nicht oder aber zu spät, zu verzagt und manchmal sogar gänzlich falsch.
Und selbst wenn mal ein Politiker oder Manager das Richtige tun will, formiert sich sofort eine Front der alten Säcke aus Wählerschaft und Interessengruppen, die lieber das Gestern konserviert als das Morgen ermöglichen will. Die Opfer dieses Zeitgeistes werden unsere Kinder sein, denn wir betrügen sie um ihre Chancen.
Aber was spricht eigentlich gegen Latein und Altgriechisch?
Wir müssen endlich verstehen, was in diesem Jahrhundert wichtiger ist: Alte Sprachen oder der kompetente Umgang mit Technik. Wir behandeln Informatik immer noch wie ein Spielzeug für Kellerkinder und Killerspieler, dabei ist sie das wichtigste Werkzeug für alle Entwicklungen der Zukunft. In Deutschland ist Informatik noch nicht einmal Pflichtfach an den meisten Schulen, geschweige denn Programmieren als Fremdsprache.
Und was wollen Sie in zehn bis 15 Jahren machen, wenn Sie selbst dieses Alter erreichen?
Wenn ich alt bin, dann möchte ich wie Peter Fox in seinem Lied in meinem Haus am See sitzen. Die Enkel spielen Cricket auf dem Rasen und wenn meine Enkeltochter mich fragt, was ich dafür getan habe, dass sie auch einmal so ein Haus haben kann, dann möchte ich ihr keine Antwort schuldig bleiben.
Mehr Informationen:
Das Buch Alte Säcke Politik. Wie wir unsere Zukunft verspielen erschien am 24. Mai im Gütersloher Verlagshaus und ist überall im Handel erhältlich. Weitere Bücher von Wolfgang Gründinger finden sich auf seiner Website.