Medienstaatsvertrag: Bundesländer legen zweiten Entwurf vor
Mit dem zweiten Entwurf eines Medienstaatsvertrags wollen die Bundesländer ihre Medienregulierung ins Digitalzeitalter katapultieren – inklusive Streaming-Diensten und Social Bots. Im Vergleich zum ersten Aufschlag aus dem Sommer 2018 öffnet sich der aktuelle Text für neue Technologien – und zieht gleichzeitig bei Plattformen und Intermediären von Netflix bis Facebook die Schrauben an. Am Mittwoch, 3. Juli, begann die öffentliche Anhörung zur überarbeiteten Fassung.
Worum es in der Novelle geht, zeigt schon ihr Name: Bisher regelten die Länder in „Rundfunkstaatsverträgen“ die Regulierung von Funk und Fernsehen. Der neue Entwurf trägt den Titel „Medienstaatsvertrag“ und bricht nun endgültig mit der Vorstellung einer linearen Medienwelt, in der die Tagesschau immer nur um 20.15 Uhr im Fernsehen zu sehen ist – und nicht rund um die Uhr in einer Smartphone-App.
Medienplattformen und Intermediäre
Mit diesem Wandel treten zahlreiche neue Akteure in den Fokus der Regulierer, allen voran sogenannte Intermediäre wie Facebook und Google sowie Medienplattformen wie Zattoo:
„‚Gatekeeper‘ ist das neue Schlagwort dieses Medienstaatsvertrags“,
sagt deshalb Heike Raab, Staatssekretärin für Medien und Digitales in der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz. Das Land hat traditionell den Vorsitz der Rundfunkkommission inne, in der sich die Länder zur Medienregulierung abstimmen.
„Diese Gatekeeper wollen wir in den Blick nehmen, um Transparenz zu schaffen. Warum öffnet eine Plattform nur bestimmten Inhalten die Tür? Oder in der Suchmaschine: Warum werden gerade diese Ergebnisse angezeigt?“
Der Entwurf unterscheidet bei neuen Medien grundlegend zwischen Medienplattformen und Medienintermediären. Vereinfacht ausgedrückt bezeichnet „Plattform“ dabei einen Dienst, der verschiedene Rundfunkprogramme und Video-on-Demand-Dienste zu einem Gesamtangebot zusammenfasst – etwa die Streaming-Dienste MagentaTV der Telekom und Zattoo. „Intermediär“ hingegen bezeichnet einen Dienst, der einzelne Inhalte aggregiert, selektiert und präsentiert, ohne sie jedoch zu einem festen Angebot zusammenzufassen – etwa soziale Netzwerke und Suchmaschinen, deren Inhalte sich ständig ändern.
Der erste Entwurf aus dem Sommer 2018 nannte als Intermediäre noch explizit „Suchmaschinen, Soziale Netzwerke, App Portale“ und weitere Beispiele. In der aktuellen Fassung wurde diese Liste jedoch gestrichen – dem Vernehmen nach, um auch zukünftigen, neuen Medien gegenüber offen zu sein. Genau vor solch einer Abstraktion hatten allerdings Rückmeldungen aus der Wissenschaft auf den ersten Entwurf gewarnt. Ein Argument der Länder für den hohen Abstraktionsgrad: Die neue Fassung soll nun auch Smart Speaker abdecken, also Assistenzsysteme, die mittels Sprache funktionieren.
Schwerpunkte: Transparenz und Nicht-Diskriminierung
Ein Schwerpunkt der neuen Fassung sind Transparenzpflichten, bei Medienplattformen etwa bezogen auf die „Kriterien, nach denen Inhalte sortiert, angeordnet und präsentiert werden“. Informationen dazu müssen Plattformen „in leicht erkennbarer, unmittelbar erreichbarer und ständig verfügbarer Weise“ zu Verfügung stehen. Auch Intermediäre sollen künftig transparenter agieren, etwa wenn es um die „Selektion und Präsentation von Inhalten und ihre Gewichtung“ geht. Sie sollen außerdem „Informationen über die Funktionsweise der eingesetzten Algorithmen in verständlicher Sprache“ veröffentlichen. Was genau das heißt, lässt der Entwurf allerdings offen.
Dem neuen Text liegt außerdem die Sorge zugrunde, dass im Angebots-Überfluss digitaler Medienplattformen echte Qualitätsinhalte unterzugehen drohen. Deshalb schlägt die aktuelle Fassung vor, hochwertige Programme per Gesetz zu privilegieren und sie „leicht auffindbar“ zu machen. Dazu gehören dem Entwurf zufolge alle Inhalte der öffentlich-rechtlichen Sender, aber auch solche privaten Programme, „die in besonderem Maß einen Beitrag zur Meinungs- und Angebotsvielfalt im Bundesgebiet leisten“. Wer solch ein Qualitätssiegel bekommt, sollen die Landesmedienanstalten entscheiden – ein in Deutschland ungewöhnliches Konzept, orientiert an der britischen Medienregulierungsbehörde Ofcom.
Mit Blick auf die Plattformen sei die Ländermeinung bereits abgestimmt, sagt Heike Raab:
„Wir sind uns sehr, sehr einig, dass wir Transparenzvorgaben und Diskriminierungsverbote bei den Plattformen umsetzen wollen.“
Mehr Klärungsbedarf besteht demnach bei der Intermediärsregulierung, hier gebe es noch ein paar eckige Klammern:
„Wir sind uns auch einig, dass die Transparenzvorgaben hier gelten. Aber bei dem Thema Diskriminierungsverbot wollen wir auch bewusst mal abwarten, welche Rückmeldungen kommen.“
Es ist nämlich zumindest diskutabel, wann genau soziale Netzwerke wie Facebook journalistische Inhalte „ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich behandeln“, wie es im Diskriminierungsverbots des Entwurfs heißt.
Kennzeichnung von Social Bots
Neu in der aktuellen, zweiten Entwurfsfassung ist außerdem die Kennzeichnungspflicht für Social Bots in sozialen Netzwerken, auf die sich die Länder inzwischen geeinigt haben. Im ersten Entwurf herrschte hier noch Abstimmungsbedarf. Die entsprechende Kennzeichnungspflicht trifft dabei nicht nur jene Nutzer, die Social Bots einsetzen – sondern auch die Netzwerkbetreiber selbst. Außerdem schreibt der Entwurf für Intermediäre einen Zustellungsbevollmächtigten in Deutschland vor.
Darüber hinaus schwächt der aktuelle Entwurf die Zulassungspflichten für „Rundfunkbetreiber“ ab – unter diesen Begriff fallen der Definition nach nicht nur „klassische“ Fernsehkanäle, sondern etwa auch Youtuber mit regelmäßigen Live-Streams. Zulassungsfrei bleiben nun solche Programme, „die im Durchschnitt der letzten sechs Monate weniger als 20.000 gleichzeitige Nutzer erreichen“. Es gehe vor allem darum, eine berufliche Betätigung zu erfassen, sagt Heike Raab:
„Die Zahlen sind eine politisch festgesetzte Größe, für die wir uns aufgrund von Rückmeldungen aus der Streamer-Szene entschieden haben. Dort hieß es: ‚Wenn du unter dieser Nutzergrenze bist, dann machst du das hobbymäßig.'“
Ausblick
Bis zum 9. August haben Interessierte ab heute Zeit, zum zweiten Entwurf des Medienstaatsvertrags Stellung zu nehmen. Im Oktober soll dann die Ministerpräsidentenkonferenz die konsolidierte Version verabschieden, die im Anschluss zur Ratifizierung in die Länderparlamente geht. Ziel ist, den neuen Staatsvertrag zum September 2020 in Kraft treten zu lassen. Bis dann hat Deutschland Zeit für die Umsetzung der Audiovisuelle-Mediendienste-Richtlinie der EU (AVMD-Richtlinie). Die entsprechenden Anpassungen soll der Medienstaatsvertrag ebenfalls enthalten, zusammen mit einzelnen Vorschriften zu Jugendschutz und Werbung.
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Torben Klausa schreibt als Redakteur zur Digitalpolitik.