Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz stellt Bericht vor
Die Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz hat am 16. Juni 2016 nach über einem Jahr Arbeit ihren Bericht den Regierungschefs der Länder sowie der Bundeskanzlerin auf der Ministerpräsidentenkonferenz vorgestellt. Nachdem sich die Kommission bereits in die auf EU-Ebene angestoßene Revision der Audiovisuelle-Mediendienste-Richtlinie eingebracht und einen gemeinsamen Standpunkt für die Regulierung von Intermediären (Suchmaschinen) auf EU-Ebene entwickelt hat, standen im Abschlussbericht vor allem Fragen des Jugendmedienschutzes, des Kartellrechts und der Vielfaltssicherung sowie der Plattformregulierung im Mittelpunkt.
Ad-Blocker-Verbot
Um angesichts des Zusammenwachsens von Fernsehen, Internet, Telekommunikation und den damit verbundenen Herausforderungen für die Finanzierung von Medienangeboten die Vielfaltssicherung zu gewährleisten, haben sich die Experten von Bund und Ländern unter anderem mit der Forderung der privaten Medienunternehmen nach einem Ad-Blocker-Verbot beschäftigt. Ad-Blocker werden insbesondere von den Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern „als existentielle Bedrohung der wirtschaftlichen Basis“ wahrgenommen, da derzeit nach Branchenangaben bereits circa 30 Prozent der Internetnutzer Ad-Blocker verwenden, während bei technikaffinen Titeln die Blockerrate sogar bei über 50 Prozent liege. Branchenvertreter prognostizieren für das Jahr 2016 entgangene Einnahmen von weltweit circa 40 Milliarden Euro. Die Medienunternehmen forderten vor diesem Hintergrund ein generelles gesetzliches Verbot von Ad-Blockern. Angesichts dieser Entwicklung haben Bund und Länder nun eine „zeitnahe Prüfung“ zugesagt, um die wirtschaftlichen Auswirkungen und die damit verbundenen medienpolitischen Risiken besser einschätzen zu können.
Prüfungsbedarf sehen Bund und Länder auch beim Thema Mediaagenturen. Auch hier hatten Medienunternehmen (Presse, Rundfunk) unter anderem die Doppelrolle der Mediaagenturen, intransparente Rabattierungen und Vergütungspraktiken sowie die starke Marktstellung einzelner Agenturen moniert. Politischer Handlungsbedarf besteht, da befürchtet wird, dass sich daraus ein Einfluss auf die Programme und Inhalte von Medienunternehmen ergibt.
Jugendmedienschutz
Nachdem sich die Länder im Herbst 2015 nach langen Verhandlungen auf einen neuen Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) verständigt hatten, der eine einheitliche Rechtsgrundlage für den Jugendschutz in den elektronischen Medien (z.B. Internet, Fernsehen, Hörfunk) schafft, hatte der Bund ein darüber hinausgehendes Konzeptpapier eingebracht, das nun zu einer weiteren Novellierung des JuSchG führen soll. Damit könnte die Grundlage für eine medienkonvergente Altersklassifizierung unabhängig vom Verbreitungsweg geschaffen werden. Im Bericht heißt es dazu, dass spätestens mit Smartphones in jeder Kinderhand und mit Smart-TV das gegenwärtige System an Grenzen stoße. Der Bericht listet die bereits ausgehandelten „Eckpunkte und ggfs. Regulierungsvorschläge“ auf, weist allerdings auch daraufhin, dass Uneinigkeit über die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten besteht, den Jugendschutz im Rundfunk in ein solches System einzubeziehen. Der Freistaat Bayern dringt zudem darauf, dass die Länderkompetenzen insbesondere mit Blick auf Telemedien vollumfänglich gewahrt werden. Obwohl angesichts der technischen Herausforderungen noch viele Fragen offen sind, hat der Bund angekündigt, kurzfristig einen Referentenentwurf zu erarbeiten.
Plattformregulierung
Da die Meinungsbildung zunehmend im Internet stattfindet, soll die Plattformregulierung den Zugang zu Informationen garantieren und damit die freie Meinungsbildung gewährleisten. Um dieses Ziel zu erreichen, hat sich die Bund-Länder-Kommission darauf verständigt, dass von der im Rundfunkstaatsvertrag verankerten Regulierung zukünftig auch virtuelle Plattformen und Benutzeroberflächen erfasst werden sollen. Gleichzeitig soll eine nach Erscheinungsformen abgestufte Regulierung möglich bleiben, während Angebote, die keine relevante Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung haben, von den Vorgaben der Plattformregulierung ausgenommen werden sollen.
Da der schnelle technische Fortschritt eine spezifische Regulierung nicht zulässt, haben sich Bund und Länder auf die Grundsätze „Transparenz, Diskriminierungsfreiheit, Chancengleichheit, Nutzerautonomie“ verständigt, die in den RStV aufgenommen werden sollen. Dabei muss allerdings „deren Bedeutungsgehalt im Hinblick auf Zugang und Auffindbarkeit soweit erforderlich“ noch näher ausgestaltet werden.
Der Freistaat Bayern weist in einer ergänzenden Protokollerklärung auf die Herausforderung des internationalen Wettbewerbs und die drohende „Schieflage zwischen deutschen und ausländischen Plattformanbietern“ hin, die durch eine „hohe Regelungsintensität“ entstehen könnte. Aus bayerischer Sicht sei deshalb darauf zu achten, dass bei einer Regulierung klassische Plattformen nicht schlechter gestellt werden als Over-The-Top (OTT)-Angebote. Zudem sollte ein starker regulativer Eingriff wie das Festhalten an Must-Carry-Vorschriften angesichts der derzeitigen unklaren Empirie und der sich schnell weiterentwickelnden Technik auf den Prüfstand gestellt werden.
Eckpunkte zu Transparenzvorgaben für Intermediäre
Im September 2015 hat die EU-Kommission eine Öffentliche Konsultation zur Rolle von „Plattformen, Online-Mittlern, Daten, Cloud-Computing und partizipativer Wirtschaft“ eingeleitet und im Februar 2016 erste Ergebnisse in einer Mitteilung vorgestellt. Die Mitteilung, die der Ausschuss für Fragen der Europäischen Union des Bundesrates am 24. Juni beraten hat, gibt einen Überblick über die wichtigsten Erkenntnisse der Untersuchung von Online-Plattformen und vermittelt den Standpunkt der Kommission zu den mit Online-Plattformen einhergehenden Innovationsmöglichkeiten und regulatorischen Herausforderungen sowie zur Entwicklung eines Konzepts zur Förderung ihrer Weiterentwicklung.
Um sich in diesen Konsultationsprozess einzubringen, hatte die Bund-Länder-Kommission eine Stellungnahme erarbeitet. Darin fordert sie u.a., dass kenntlich gemacht wird, ob sich die Such- und Empfehlungsfunktionen des Intermediärs allein an der Relevanz der Inhalte orientieren oder ob eigene Dienste oder Inhalte bevorzugt werden. Auch eine Ungleichbehandlung aus politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen soll kenntlich gemacht werden; Spezialangebote sollen aber weiter möglich sein. Sollten auf EU-Ebene keine Transparenzvorgaben im genannten Sinne aufstellt werden, wollen Bund und Länder prüfen, ob zu den genannten Eckpunkten entsprechende Regelungen auf nationaler Ebene getroffen werden können. Die Möglichkeiten der Ko- und Selbstregulierung der Wirtschaft wäre dabei einer rein gesetzlichen Regulierung vorzuziehen, hält der Bericht fest.
Ergänzend zu den Regelungsabsichten der EU-Kommission kündigen die Länder an, ein spezielles Diskriminierungsverbot für bestimmte Intermediäre in den RStV aufnehmen zu wollen. Schließlich sollen Intermediäre in die Überlegungen der Länder zur zukünftigen Ausgestaltung des Medienkonzentrationsrechts einbezogen werden. Wie dies umgesetzt werden könnte, zeigt der Bericht ebenfalls auf.
Federführend bei den Verhandlungen waren die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, und die Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, Ministerpräsidentin Malu Dreyer aus Rheinland-Pfalz. Darüber hinaus beteiligt waren auf der Seite der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen. Auf Bundesseite vertreten waren die Kernressorts der Digitalen Agenda, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, das Bundesministerium des Innern und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur sowie mit Blick auf das Thema Jugendmedienschutz das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zwischen Mai 2015 und April 2016 fanden bis zu acht Sitzungen je AG statt. Die Teilnahme an den Sitzungen stand grundsätzlich Vertretungen aus allen Ländern und Bundesressorts offen. Auch Sachverständige, Verbände, Institutionen und Unternehmen wurden einbezogen.
Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Nadine Brockmann ist als Analystin für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.