BEREC veröffentlicht Leitlinienentwurf für Netzneutralität

Im Prinzip soll im Netz alles mit gleicher Geschwindigkeit übertragen werden, es gibt aber wichtige Ausnahmen; Foto: CC-By 2.0 Flickr User Anand Chitravelu. Bildname: Colors. Ausschnitt bearbeitet
Veröffentlicht am 15.06.2016

Das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (Body of European Regulators for Electronic Communication, BEREC) hat am 6. Juni seinen Leitlinienentwurf zur Netzneutralität vorgestellt. Dieser kann nun bis zum 18. Juli öffentlich konsultiert werden. Die Verabschiedung der finalen Fassung der Leitlinien ist am 30. August 2016 vorgesehen.

Im November 2015 war auf EU-Ebene eine Verordnung beschlossen worden, die als „Maßnahme zum europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation und zur Verwirklichung des vernetzten Kontinents“ unter anderem das offene Internet garantieren soll. Die Verordnung verpflichtet die BEREC, Leitlinien zu erstellen, die die nationalen Regulierungsbehörden bei der Implementierung der EU-Regelungen unterstützen sollen. Der vorgeschaltete Stakeholder-Dialog wurde im Dezember 2015 mit einem Treffen mit „European-level stakeholder organisations representing internet services providers, equipment manufacturers, content and application providers, end users and consumers, and civil society“ begonnen. Diese erhalten nun wieder die Gelegenheit, sich mit Stellungnahmen zum Leitlinienentwurf einzubringen. Die zentralen Themenbereiche der Leitlinie sind: Zero-Rating, Regelungen zum Verkehrsmanagement, Bedingungen für die Erbringung von Spezialdiensten sowie die erweiterten Transparenzverpflichtungen für die Anbieter von Internetzugangsdiensten. Nicht unter die Regulierung fallen WLAN-Hotspots sowie Smart Meter und E-Book-Reader.

Im Prinzip soll im Netz alles mit gleicher Geschwindigkeit übertragen werden, es gibt aber wichtige Ausnahmen; CC by Flickr User Anand Chitravelu
Im Prinzip soll im Netz alles mit gleicher Geschwindigkeit übertragen werden, es gibt aber wichtige Ausnahmen; Foto: CC-By 2.0 Flickr User Anand Chitravelu. Bildname: Colors. Ausschnitt bearbeitet

Schutz von Privatnutzern und CAPs

Die BEREC stellt in ihren Ausführungen klar, dass mit der Regulierung das Internet als ein Ökosystem erhalten will, das Innovation und Meinungsfreiheit ermöglicht. Geschützt werden sollen aber nicht nur die privaten Nutzer, sondern auch die Content und Application Provider (CAP), die ihre Inhalte den Endverbrauchern zur Verfügung stellen.

Zero-Rating

Ein zentrales Thema für die CAPs ist das umstrittene „Zero-Rating“. Hier spricht sich die BEREC für eine differenzierte Beurteilung der unterschiedlichen Anwendungen aus. Fälle, in denen der übrige Datenstrom blockiert oder verlangsamt wird, wenn das Volumen erreicht ist, sind „clearly prohibited“. Für alle anderen Fälle gibt es einen Kriterienkatalog, entlang dessen die nationalen Regulierer die Praxis der Internetprovider überprüfen sollen. Eine Rolle soll dabei unter anderem die Marktmacht des Internetanbieters sowie des Content-Providers spielen.

Traffic Management

Bei der Priorisierung des Datenverkehrs geht es den europäischen Regulierern darum, gleiche Ausgangsbedingungen zu schaffen. Solange also „any treatment of traffic is done independently of applications and end-users“, gehen die Kontrollbehörden von Gleichbehandlung aus. Unter bestimmten Umständen soll es aber auch hier Ausnahmen von der Regel geben: „a) compliance with other laws, b) preservation of integrity and security, c) congestion management measures“. Die unterschiedliche Handhabung könnte mit dem Verweis auf das „application layer protocol or generic application type“ gerechtfertigt werden, wenn: „this is linked to objectively different technical QoS requirements; applications with equivalent requirements are handled in the same category; and the justification given is relevant to the category of traffic in question.“

Zudem müsste sichergestellt werden, dass die Maßnahmen keine konkreten Inhalte filtern und dass verschlüsselte und normale Daten gleich behandelt werden. Verboten ist eine Unterscheidung zwischen bestimmten Inhalten, Anwendungen oder Spezialdiensten, die unter anderem zu einer Verlangsamung, Degradierung oder Diskriminierung des Datenflusses führen. Doch auch hier gelten wieder die oben genannten Ausnahmen.

Spezialdienste

Die BEREC definiert Spezialdienste als „services other than internet access services which are optimised for specific content, applications or services, or a combination thereof, where the optimisation is necessary in order to meet requirements of the content, applications or services for a specific level of quality”. Darunter werden zukünftig beispielsweise Anwendungen im Gesundheitsbereich fallen, die von EU-Kommissar Günther Oettinger im Zuge der Diskussion immer wieder als besonders förderungswürdig eingestuft wurden. Für diese Spezialdienste sollen reservierte Bandbreiten angeboten werden können – allerdings nur innerhalb enger Grenzen. Um die Notwendigkeit eines Spezialdienstes zu ermitteln, sollen die nationalen Regulierungsbehörden Zusatzinformationen bei den Anbietern bezüglich „latency, jitter and packet loss“ einholen. Anschließend soll ermittelt werden, welche Datenkapazität für das Angebot tatsächlich benötigt wird. Dazu können die Regulierer zukünftig auch Messungen der Datenübertragungsraten durchführen.

Transparenz

Abschließend werden die nationalen Regulierungsbehörden dazu angehalten, stärker zu kontrollieren, ob die Internetanbieter, die vertraglichen Vereinbarungen gegenüber ihren Kunden einhalten. So sollte die angekündigte Höchstgeschwindigkeit wenigstens einmal am Tag, die normale Durchschnittsgeschwindigkeit regelmäßig erreicht werden. Bei mobilen Angeboten soll zukünftig offensiver kommuniziert werden, dass die Höchstgeschwindigkeit nicht an allen Orten erreicht werden kann.

Grüne fordern Mindestqualitätsvorgaben

Noch bevor die Leitlinien der BEREC verpflichtend werden, bringt die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag in den Bundestag ein, der fordert, Mindestqualitätsvorgaben für Internetzugänge einzuführen. Die Grünen kritisieren, dass viele Anbieter von Internetzugängen ihre Werbeversprechungen nicht einhalten. Mit dem Verweis auf die EU-Verordnung heben die Grünen zudem hervor, dass die Bundesnetzagentur bisher „keinerlei Mindestanforderungen an die Dienstequalität festgelegt“ habe. Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung deshalb unter anderem auf, sicherzustellen, dass mindestens 90 Prozent der vertraglich vereinbarten maximalen Bandbreite auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Bei anhaltenden Abweichungen sollen Bußgelder verhängt und pauschalierter Schadenersatz ermöglicht werden. Weitere Transparenzmaßnahmen sollen in einer TK-Transparenzverordnung aufgenommen werden. Zudem wird die BNetzA aufgefordert, jährlich Qualitätsstudien zur Dienstequalität durchzuführen. Das von der BNetzA auf der Webseite www.breitbandmessung.de bereitgestellte Tool zur Qualitätsmessung möchten die Grünen als Überwachungsmechanismus im Sinne von Art. 4 (4) TSM zertifizieren lassen.

BNetzA veröffentlicht Karte zur Breitbandmessung

Auf der von den Grünen genannten Webseite hat die Bundesnetzagentur am 13. Juni die Ergebnisse ihrer bisher durchgeführten Breitbandmessungen in einer interaktiven Karte veröffentlicht. In der täglich aktualisierten Grafik werden für einzelne Anbieter die gemessenen Datenübertragungsraten sowie das prozentuale Verhältnis von gemessener zur vertraglich vereinbarten maximalen Datenübertragungsrate dargestellt, um die Markttransparenz für Nutzer zu erhöhen. Es besteht für die Nutzer die Möglichkeit, die Ergebnisse nach bestimmten Kriterien, z. B. nach Anbieter und/oder Bandbreitenklasse, zu filtern und eine Messung der eigenen Internetgeschwindigkeit durchzuführen.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel Politikmonitoring auf UdL Digital. Nadine Brockmann ist als Analystin für das Themenfeld Netzpolitik verantwortlich.

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