Digitale Demenz – Ein entkräfteter Mythos

UdL Digital Talk mit Gesche Joost und Lena-Sophie Müller, Foto: E-Plus Gruppe
Veröffentlicht am 05.05.2014

Lange und intensive Stunden vorm Computer und im Internet führen zur sozialen Vereinsamung und verhindern gesellschaftspolitisches Engagement – dies sind einige der gängigen Befürchtungen mancher Kritiker des Netzes. Dass digitale Medien dick, dumm, aggressiv, einsam, krank und unglücklich machen, haben einige populärwissenschaftliche Autoren in der Vergangenheit schon mehrfach in den Raum geworfen. Der Begriff „digitale Demenz“ taucht häufiger in der Debatte auf und bezeichnet die schädlichen Auswirkungen von digitalen Medien und Internetnutzung. Doch es sind wohl nur Mythen, wenn man dem derzeitigen Forschungsstand glauben will.

Internetnutzer sind nicht einsamer oder weniger engagiert

In einer Studie haben sich einige Forscher mit diesen weit verbreiteten Behauptungen näher beschäftigt und entkräften die Mythen nahezu vollständig. Sie finden keine Belege für die Vereinsamung der Nutzer oder für geringeres gesellschaftliches oder politisches Engagement. Vielmehr kann Lernen mit digitalen Medien durchaus positive Effekte haben. Allerdings gibt es auch Nachweise für den Zusammenhang zwischen gewalthaltigen Videospielen und aggressivem Verhalten.

UdL Digital Talk mit Gesche Joost und Lena-Sophie Müller, Foto: E-Plus Gruppe

Zwar wurde außerdem festgestellt, dass eine intensive Internetnutzung negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden hat, die statistisch signifikant sind. Aber das bedeutet nicht, dass die Befragten reihenweise an Depressionen litten, sondern nur ein kleiner Teil war davon betroffen. Einen weiteren Zusammenhang, wenn auch einen kleinen, fanden die Forscher zwischen Fernsehen bzw. Computerspielen und Übergewicht. Allerdings gab es keinen Nachweis darüber, dass das Schreiben von Texten am Computer zu schlechteren Ergebnissen beim Schreiben ohne Computer führt.

Kompetenz im Umgang mit Medien ist unabdingbar

Die Verfasser der Studie weisen darauf hin, dass viele der betrachteten Studien zwar erst wenige Jahre zurück liegen, damit allerdings die neuesten digitalen Medien gar nicht berücksichtigen konnten. Hier gäbe es also noch weiteren Forschungsbedarf. Unsachgemäße, populärwissenschaftliche Thesen in der Öffentlichkeit zu verbreiten lehnen die Forscher jedenfalls ab, da sie der Meinung sind, es verschleiere die tatsächlichen Probleme der digitalen Medien, die es zweifellos gibt. Cyberbullying oder eine zwanghafte Abhängigkeit bei einzelnen Internetnutzern seien ernstzunehmende Probleme. Eine weitere Befürchtung der Wissenschaft ist, dass Eltern und Lehrkräfte durch diese Mythen fehlgeleitet werden und den Kindern dadurch nicht die notwendigen Bezugspersonen für den Umgang mit den neuen Medien zur Verfügung stünden.

Der wissenschaftliche Befund ist: Eine intensive Internetnutzung ist für alle Teile der Bevölkerung durchaus empfehlenswert. Schließlich ist digitale Kompetenz der „Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe“, wie die Internetbotschafterin der Bundesregierung bei der EU-Kommission Gesche Joost und die Geschäftsführerin der Initiative D21 Lena-Sophie Müller beim letzten UdL digital Talk feststellten.

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