TIM Milestones – Weichenstellungen für den IT-Standort Deutschland

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Veröffentlicht am 21.06.2013

Das Telecommunications, Internet, and Media Committee der AmCham hat jüngst eine Stellungnahme veröffentlicht, in der die aus ihrer Sicht zentralen Milestones für den IT-Standort Deutschland definiert werden: In den letzten Jahren ließe sich durch die stetig fortschreitende Entwicklung in der IKT-Branche eine wachsende Rechtsunsicherheit sowohl bei Verbrauchern wie auch bei Unternehmen beobachten. Gleichzeitig sei der IKT-Sektor unverändert auf Wachstumskurs, die wirtschaftliche Bedeutung nehme stetig zu. Der Staat müsse deswegen Rahmenbedingungen stellen, die Innovationen fördern und Wachstum stimulieren.

Das Papier wurde im Rahmen eines parlamentarischen Frühstücks im BASE_camp von Dr. Gunnar Bender, Mike Cosse und Dr. Nikolaus Lindner vorgestellt und im Anschluss mit den Bundestagsabgeordneten Martin Dörmann, Dr. Tobias Lindner, Hans-Joachim Otto und Dr. Joachim Pfeiffer diskutiert. Wesentliche Themen aus den Milestones und der Diskussion stellen wir nachfolgend vor. Den kompletten Bericht kann man hier nachlesen.

Intelligente Netze

AmCham
Martin Dörmann, Stefan Krempl, Hans-Joachim Otto und Dr. Joachim Pfeiffer, Foto: E-Plus Gruppe

Die rechtlichen Rahmenbedingungen sollten neu entstehende Märkte unterstützen und funktionierende stärken. Hierzu gehöre insbesondere Investitionssicherheit: Nur so sei es Marktteilnehmern – wie etwa Netzbetreibern – möglich, in Forschung und Entwicklung zu investieren.

Infrastruktur

Von unverzichtbarer Bedeutung für den Kommunikationsstandort Deutschland sei der permanent Ausbau und die Weiterentwicklung von Kommunikationsinfrastrukturen. Cosse führte aus: Zukunftsfähige Datenhighways müssten im Wettbewerb entwickelt werden. Dies erfordere eine effektive Vorleistungsregulierung und bedürfe Milliardeninvestitionen. Die Voraussetzung dafür, dass diese getätigt werden könnten, sei Planungs- und Rechtssicherheit – aktuell vor allem in Hinblick auf die nahende Frequenzentscheidung. Die AmCham spricht sich in ihrem Papier deswegen für einen Diskurs zur Zukunft von Auktionen der Mobilfunk-Frequenzen aus – so wie es die EU-Kommission jüngst vorgeschlagen hat. Zurückhaltung wird im Bereich der Entgeltregulierung gefordert.

Pfeiffer sprach sich in diesem Zusammenhang deutlich gegen eine Universaldienstverpflichtung aus: Die Schlacht um die Grundversorgung sei geschlagen. Über Satellitenversorgung habe jeder die Möglichkeit eines günstigen Zugangs. Die Universaldienstverpflichtung helfe in der Sache nicht weiter, sie würde den Wettbewerb behindern, nicht fördern. Otto stimmte hier zu: Der Wettbewerb habe bereits gute Ergebnisse gebracht und die hohen Investitionen, die dafür in den letzten von den Unternehmen aufgebracht wurden, seien Anlass genug, den „Unternehmen nicht in die Knie zu treten“.

Datenschutz

Beim Thema Datenschutz gehe es darum Unternehmens- und Verbraucherinteressen in Einklang zu bringen – beides müsse sich nicht ausschließen.  Zentraler Aspekt sei Rechts- und Planungssicherheit, so Bender. Lindner ergänzte, dass Menschen ihre Rechte kennen müssten, um sie auch wahrnehmen zu können. Weiterhin müsse der Nutzer leichter einen Überblick über gesammelte Daten in Anwendungen bekommen können, die Einführung einer Zustimmungspflicht befürwortete Lindner. Wichtig sei es, gemeinsame Standards bei Anwendungen zu entwickeln und hierbei auch das Thema Voreinstellungen zu diskutieren.

Auch Dörmann hielt das Thema der Voreinstellungen für enorm wichtig und begründete: Viele Menschen wüssten nicht über Details der Datenschutzregelungen Bescheid, müssten aber trotzdem geschützt sein. Es müsse ein Mittelweg gefunden werden, der nicht zu Überregulierung führe und trotzdem den Nutzer schütze. An einigen Stellen beinhalte dies auch die Einführung einer expliziten Zustimmungspflicht des Nutzers.

Pfeiffer sagte, dass Datenschutz zentral für die Digitalisierung sei. Hierbei gehe es vor allem um Medienkompetenz und Awareness. Gleichzeitig böte das deutsche Datenschutzrecht nicht nur Nutzern, sondern auch Unternehmen insofern einen Wettbewerbsvorteil, als dass Daten gut geschützt wären, was gerade für sensible Anwendungen wichtig sei. Nichtsdestotrotz müsse eine europäische Lösung angestrebt werden. Was sich stelle, sei die Frage nach Zustimmungserfordernissen. Wenn diese zu weit gingen, würden Menschen verunsichert. Gleichzeitig versuche Deutschland gerade eine neue Gründerkultur zu etablieren, viele der entsprechenden Businessmodelle benötigten Mindestmaß an Daten. Ein Mittelweg müsse gefunden werden, um die neu entstandene Startup-Kultur nicht zu bremsen.

Cyber-Sicherheit

Die digitalen Informationsnetze sind die Nervenbahnen Deutschlands moderner und in hohem Maß spezialisierter Gesellschaft. Der Schutz kritischer Infrastrukturen besitze deswegen eine besondere Bedeutung und bedürfe einer zielgerichteten Partnerschaft zwischen Staat und Wirtschaft: Rund vier Fünftel der kritischen Infrastrukturen würden privat betrieben.

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Jugendschutz

Die Erfahrung zeige, dass der Staat in erster Linie wirksame Anreize für eine effektive Selbstregu­lierung mit breiter Beteiligung der Akteure schaffen und staatliches Eingreifen nur bei Scheitern der Selbstregu­lierung vorsehen sollte. Gleichzeitig müsse es Aufgabe von Staat und Wirtschaft sein, die Medienkompetenz aller gesellschaftlichen Akteure zu fördern.

Provider-Haftung

Während die europäische E-Commerce-Richtlinie für viele Bereiche sinnvolle Verantwortungszuweisungen enthält, lasse die Umsetzung in deutsches Recht die notwendige Klarheit vermissen. Überdies bestünden auch große Unterschiede in der europaweiten Umsetzung der Richtlinie. Dies habe zu Rechtsunsicherheit und damit verbunden zu widersprüch­licher und zum Teil praxisferner Rechtsprechung geführt: Die europäische E-Commerce-Richtlinie gibt einen Rechtsrahmen vor, in dem sie Access-Provider und Host-Provider grundsätzlich solange von juristischer Verantwortung freistellt, solange sie nicht tatsächliche Kenntnis von einem rechtswidrigen Inhalt haben.

Unklarheiten bestehen jedoch insbesondere bei der Frage, wann „tatsächliche Kenntnis“ vorliegt. Während das Recht in einigen Mitgliedstaaten klare Vorgaben macht, schweigt die deutsche Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie hierzu.  Ähnliche Unklarheiten bestehen in der Frage, wie genau eine Mittei­lung an den Provider auszusehen hat. Hier sollte die deutsche Politik insbesondere in Brüssel darauf hinwirken, dass europaweit hinreichende Klarstellungen eingeführt werden. Ebenso sei eine Konkretisierung der Störerhaftung unter Berück­sichtigung der jüngeren Rechtsprechung wünschenswert.

Urheberrechtsdurchsetzung

Es sei ein gemeinsames Handeln von Wirtschaft und Politik erforderlich, um das Urheberrecht anzupassen und die Rechtsdurchsetzung zu verbessern. Ein effektiver Schutz von Urheberrechten sei die Voraus­setzung für die Refinanzierung hochwertiger Inhalte und die Vermeidung von signifikanten Steuerausfällen. Würde das bereits geltende EU-Recht europaweit konsequent umgesetzt, könnte schon heute die Rechtsdurchsetzung von Urheberrechten verbessert werden. Es gelte, die Interessen der Urheber, der Verwerter, der im Informati­onssektor tätigen Unternehmen und schließlich auch der Verbraucher jeweils angemessen zu berücksichtigen.

Verbraucherschutz

Eines der wirksamsten Instrumente auf diesem Gebiet sei die Schaffung von Onlinekompetenz. Hierzu sollten die zahlreichen Initiativen der Unternehmen und der öffentlichen Hand besser vernetzt werden. Eine wichtige Säule des Verbraucherschutzes ist und bleibt auch weiterhin der Schutz des Verbrauchers durch den Staat. In Zukunft wird in diesem Bereich die europä­ische Verbraucherrechte-Richtlinie umzusetzen sein, die das Verbraucherschutzrecht weiter harmonisieren soll.

Dr. Nikolaus Lindner, Leiter Government Relations Deutschland bei eBay GmbH führte aus, dass deutsche Verbraucher zwar umfassend geschützt seien, trotzdem aber auch Problemfelder existierten: So sei dies etwa die Fülle an Informationen, die Nutzer zum Teil nicht mehr aufnehmen könnten. Hier gelte es Onlinekompetenz zu stärken. Zum Empowerment braucht es Aufklärung und Medienkompetenz, so auch Bender.

Patentschutz

Wirtschaftspolitisch spiele ein leis­tungsfähiges Patentrecht daher eine zentrale Rolle. Auf der einen Seite erhöhe es über gestiegene Gewinnmöglichkeiten die Investiti­onsneigung der Unternehmen, auf der anderen verbreitere es über verbesserte Refinanzierungsmöglichkeiten die Kapitalbasis der forschenden Unternehmen.

Im Gegensatz zu den USA ist die bloße Automatisierung bekannter Abläufe mit einem Computer nicht patentierbar. Diese Rechts­lage hat weitreichende Folgen für die Software-Industrie in Deutschland. Bedenklich seien daher Überlegungen, das ohnehin schon restriktive Patentrecht in Deutschland weiter abzubauen bzw. komplett durch das Urheberrecht zu ersetzen. Das Urheberrecht ist im Gegensatz zum Patent kein geprüftes Schutzrecht. Ohne zusätzlichen Patentschutz würden Unter­nehmen ihre Innovationsergebnisse nicht veröffentlichen, sondern müssten sich verstärkt auf Geheimnisschutz ver­lassen.

Cloud Computing

Cloud Computing setzt eine breit verfügbare und hochwer­tige, breitbandige Netzinfrastruktur voraus. Um Fortschritte voranzutreiben, müssten entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden – insbesondere im Hinblick auf den Ausbau breitbandiger und qualitativ hochwertiger Netzinfrastrukturen.

Vergaberecht

Die Europäische Union hat – ausgehend von der Rechtsmittel-Richtlinie – die Bestimmungen über das Vergaberecht in den letzen zwanzig Jahren zunehmend angepasst und vereinheitlicht. Bei der anstehenden Novellierung müsse auf die Festlegung von einheitlichen Standards für die elek­tronische Übermittlung von Mitteilungen geachtet werden. Formelle oder informelle Beziehungen zwischen der ausschreibenden Stelle und den Bewerbern müssten transparent gemacht werden, um Wettbewerbs­verzerrungen und Korruption vorzubeugen.

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