#NoGroko oder #Groko: So wird auf Twitter gestritten
Die Zeit läuft: Noch 15 Tage bleiben den 463.732 vor dem 6. Februar registrierten SPD-Mitgliedern, um über den Eintritt ihrer Partei in die Große Koalition bestimmen. Am 4. März soll das Ergebnis des Mitgliedervotums bekannt gegeben werden. Bis dahin laufen die Diskussionen über ein Ja oder Nein zur Großen Koalition nicht nur auf Kevin Kühnerts’ #NoGroko-Tour oder #Groko-Diskussionen in Fulda oder Weidenhausen auf Hochtouren, sondern auch bei Twitter zeichnet sich ein erbitterter Kampf um die besseren Argumente ab.
Jusos twittern im Stundentakt
Für den Juso-Chef Kühnert, der seit dem Beginn der Sondierungsverhandlungen zwischen SPD und der Union wie kein Anderer für eine Absage an die Große Koalition steht, geht es sowohl um inhaltliche und strategische Gründe als auch um eine Veränderung des Politikstils:
„#NoGroko bedeutet nicht nur die Ablehnung eines Koalitionsvertrags (über den plötzlich niemand mehr spricht). #NoGroko bedeutet auch die Absage an den politischen Stil, der heute aufgeführt wird“,
schrieb @KuehniKev bei Twitter. „Wir haben eine Verantwortung, die über die Perspektive von 4 Jahren hinausgeht. Eine Verantwortung, zu schauen, warum die Partei immer wieder gegen eine Wand rennt“, zitierten die Jusos Kühnert bei Twitter.
Um in den nächsten zwei Wochen weiterhin für ein Ende der Groko zu werben hat @KuehniKev am 9. Februar eine bundesweite #NoGroko-Tour begonnen. Dabei zeigt er, dass seine Twitter-Kampagne gegen die Große Koalition auch im echten Leben funkt. Viele neue und alte SPD-Mitglieder, im Juso-Alter oder jenseits der 35, kommen zu seinen Diskussionsrunden und debattieren darüber, wie es weitergehen soll mit der SPD.
Während die Jusos quasi stündlich Tweets über ihr Nein zur Groko posten – allein am Dienstag waren es dreizehn – ist das Pro-Groko-Lager der SPD bei Twitter weniger präsent. Oft ohne den Hashtag #Groko überhaupt zu erwähnen, sprechen sich Teile der SPD eher implizit für eine Große Koalition aus. So teilte etwa der SPD Vorstand am Mittwoch einen Tweet der SPD Baden Württemberg, in dem es heißt:
„Wir haben derzeit eine rechte Mehrheit im #bundestag. Mit einer Minderheitsregierung bekommen wir keinerlei sozialdemokratischen Inhalte durch. Das muss uns klar sein.“
Ein klares „Ja zur Groko, weil“, wie es zum Beispiel die SPD-Abgeordnete Ute Vogt bei Twitter schreibt, ist nicht so häufig zu vernehmen. Angesichts der groß organisierten #NoGroko-Kampagne der Jusos treten die „Ja‘s“ allerdings auch deshalb in den Hintergrund.
Stimmen aus dem Pro-Groko-Lager
Auf einen positiven Ausgang des Mitgliederentscheids hofft jedenfalls der SPD-Abgeordnete Timon Gremmels aus Kassel. Laut Twitter-Post habe er eine gute #Groko-Diskussion in Fulda geführt, bei der die positiven Inhalte des Koalitionsvertrags im Vordergrund standen. Auch der SPD-MdB Michael Roth beschrieb eine Diskussion, die er mit SPD-Mitgliedern in Weidenhausen (Hessen) führte als „sachlich, kritisch und zupackend“ und stellte fest:
„Am Ende überwältigende Mehrheit für #Groko“.
Als „#nogroko-Heldin“ taugt auch die Familienministerin Katarina Barley nicht, wie sie es selbst in einem Twitter-Post formulierte. Erstens stehe sie voll hinter dem Koalitionsvertrag, zweitens finde sie Mitgliederbeteiligung gut und die aktuelle Diskussion fatal, und drittens habe Andrea Nahles ihre volle Unterstützung, listete Barley bei Twitter ihre Positionen für die #Groko auf. Auch Heiko Maas hob in mehreren Posts die für ihn positiven Aspekte des Koalitionsvertrages – hier erwähnt er die finanzielle Entlastung von Familien und alten Menschen sowie den durchgesetzten Abbau von sachgrundlosen Befristungen – hervor.
Stimmen aus den anderen Parteien
Viele ablehnende Stimmen gegenüber einer Großen Koalition sind auch aus den Reihen der anderen Parteien zu hören. Während Ria Schröder, stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, es „unfassbar“ findet, „wie sich die @spdde selbst demontiert“ und für eine Erneuerungspause der Partei plädiert, sieht der FDP-Parlamentarier Marco Buschmann das Problem des Koalitionsvertrages vor allem beim Inhalt und nicht bei denen, die ihn umsetzen.
Die Linke schlägt indessen noch düstere Töne an. So kommentierte etwa Anke Domscheit-Berg ein Interview mit dem kommissarischen SPD-Vorsitzenden Olaf Scholz, in dem dieser sein Ziel verkündete, „bei der nächsten Bundestagswahl stärkste Partei in Deutschland“ zu werden, mit den Worten:
„Dieses Ziel wirkt schlicht gaga. Wer glaubt denn im ernst, dass die #SPD mit einer #GroKo zur stärksten Partei werden kann? Das ist doch Verarsche, im Leben glaubt da keiner dran! Wo ist die Ehrlichkeit geblieben, wo ein Hauch von Demut? Warum nicht schlicht „Trend umkehren“?“
Doch ob der Trend überhaupt noch umgedreht werden kann, ist für den Parlamentarier Bernd Riexinger fraglich. Laut Twitter-Post stehe die SPD „zwischen Pest und Cholera“ und „egal, was sie macht, sie kommt nicht voran“.
Am Ende wird offline entschieden
Letztendlich rät die Bundestagsabgeordnete und Sächsische SPD-Generalsekretärin Daniela Kolbe allen SPD-Mitgliedern,
„sich den #Koalitionsvertrag ganz angstfrei anzuschauen und frei zu entscheiden“.
Aufgrund der #NoGroko-Kampagne der Jusos, scheint bei Twitter das „Nein“ zu überwiegen – doch ob sich die Groko-Gegner durchsetzen werden, entscheiden am Ende die Mitglieder der Partei offline.