Shaping the digital economy: Wo steht Deutschland im Technik-Wettrennen?
Foto: Henrik Andree
„Wir haben schon das richtige Potential in Deutschland und Europa“, sagte CEO Markus Haas am Freitag bei der Veranstaltung Shaping the digital economy im Telefónica BASECAMP, bei der es um das globale Technik-Wettrennen ging, das momentan vor allem von den USA und China bestimmt wird. „Wir müssen aber einfacher denken und mehr Dinge ausprobieren„, erklärte der Vorstandsvorsitzende von Telefónica Deutschland bei der Podiumsdiskussion mit Experten aus vier Ländern. Darüber berichtete auch schon der Heise-Newsticker.
„In Europa geht man die Dinge immer so klein an“, kritisierte Monika Lessl. „Wir müssen größere Wetten auf die Zukunft eingehen und mehr Big Players aufbauen“, sagte die Leiterin des Innovations- und Forschungsbereiches bei Bayer. Ihre eigene Firma geht dabei voran: Durch den 63 Milliarden Dollar schweren Kauf der US-Firma Monsanto ist der Chemiekonzern gerade zum weltgrößten Anbieter von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut aufgestiegen.
Es ist die teuerste Übernahme eines deutschen Unternehmens im Ausland sowie der größte Zukauf in der Geschichte von Bayer. Doch nicht nur deswegen seien die heutigen Tage die aufregendste Zeit ihres Lebens, sagte Monika Lessl. Neben der technischen Revolution und den aktuellen Durchbrüchen bei der künstlichen Intelligenz (KI) sei noch eine weitere Umwälzung im Gang: und zwar in der Biologie. Mit den heutigen Techniken könne man schon so einfach Gene editieren, als ob man sie auf einer Schreibmaschine hinschreiben würde.
Europäische Union: Zielsetzung vs. Ausführung
Mit Werkzeugen wie der neuen Genschere CRISPR würden bald schon die ersten Menschen ihre Körper verbessern, erklärte Pascal Finette. Und durch Techniken wie das Brain-Computer-Interface von Elon Musks neuer Firma Neuralink könnten sie auch „ihre Gehirne mit der Cloud verbinden“, sagte der geschäftsführende Direktor des Fastrack Institute aus Miami und Leiter des Gründerprogramms der Singularity University. Doch für die Fortschritte in Europa zeigte sich der gebürtige Deutsche weniger optimistisch: Die Europäische Union sei zwar eine großartige Idee, weil sie den Kontinent vereinige, und der größte Markt der Welt sei. Aber es gebe einen himmelweiten Unterschied zwischen der Zielsetzung und der Ausführung.
Die 1,5 Milliarden Euro, die jetzt die EU in künstliche Intelligenz investieren möchte, sowie die 1,8 Milliarden aus dem Programm der Bundesregierung seien nichts im Vergleich zu den Ausgaben in den USA oder China. Allein die Regierung der Volksrepublik will in den kommenden Jahren mindestens 300 Milliarden Dollar investieren, um Weltmarktführer in zehn besonders zukunftsträchtigen Branchen aufzubauen. Dazu gehören der Fahrzeugbau, die Halbleiterindustrie, die Zugtechnik und besonders die künstliche Intelligenz, wo China bis 2030 zur weltweiten Nummer eins aufsteigen will.
Künstliche Intelligenz: Nicht nur ein Gewinner möglich
„Es wird aber nicht nur einen Gewinner geben“, hielt Jimmy Cliff entgegen. Er ist der leitende Manager des Verleihsystems Mobike Deutschland, mit dem man jederzeit Fahrräder über eine Smartphone-App ausleihen kann. „KI ist kein Rennen, das irgendwann endet“, sagte der Australier, der in Berlin lebt. Schon jetzt gibt es hunderttausende Algorithmen von den verschiedensten Unternehmen für die unterschiedlichsten Zwecke – und täglich werden neue entwickelt. „Sie automatisieren Routine-Arbeit, damit mehr Zeit für kreative Tätigkeiten bleibt“, erklärte der Startup-Chef. Er freut sich heute schon darauf, wenn er seine Zahlenauswertungen nicht mehr in Excel erstellen muss, sondern einfach eine KI dafür befragen kann.
„Die Basis-Technologie für künstliche Intelligenz und alle anderen Technologien der Zukunft ist 5G“, merkte Yang Tao an. Der Deutschland-Geschäftsführer des chinesischen Netzausrüsters Huawei erklärte, dass deswegen in seiner Heimat besonders viel in den neuen Mobilfunkstandard investiert wird. „Die ersten flächendeckenden 5G-Netze wird man aber sicher in kleineren Ländern wie Südkorea sehen“, sagte der Chef der größten chinesischen Firma in Deutschland. Die neue Technik kann nicht nur Daten hundertmal schneller übertragen, sie ermöglicht auch viel kürzere Reaktionszeiten. Dadurch ist sie ideal für KI-Kommunikation, Smart Cities, E-Health oder Industrie 4.0 geeignet, denn diese Anwendungen stellen besonders hohe Anforderungen an die Geschwindigkeit und Qualität von zukünftigen Mobilfunknetzen.
5G-Standard: Basis für neue Industrie-Anwendungen
„5G ist eine Revolution im Vergleich zu früheren Standards“, sagte Markus Haas. Der CEO von Telefónica Deutschland erklärte, wie mit der neuen Technik verschiedenste Digitalanwendungen verknüpft werden und Unternehmen sogar eigene Netze innerhalb der Mobilfunknetze ihrer Anbieter aufbauen können. 5G sei deswegen zuerst einmal eine Technik für die Industrie, die unglaubliche Anwendungen ermögliche, welche weit über die Benutzung von Smartphones hinausgehen.
Das kann man auch in den Pilotprojekten von Telefónica Deutschland sehen: Bei TechCity in München mit Huawei wurden bereits Übertragungsraten von bis zu 1,65 Gigabit pro Sekunde erreicht und auf der Autobahn A9 werden das autonome Fahren sowie die benötigten Mobilfunktechniken getestet. In Berlin baut Telefónica Deutschland in Kooperation mit Nokia den Early 5G Innovation Cluster auf und außerdem werden mobile Verbindungen durch die neue Funktechnik zu einer interessanten Alternative für die Festnetzanschlüsse zu Hause. Damit kann sie ein wichtiger Baustein zur Verbesserung der Breitbandversorgung werden.
„Wir haben ein Infrastrukturproblem in Deutschland“, mahnte Markus Haas. Die milliardenschweren Gebühren für Mobilfunklizenzen, die in vergangenen Jahren gezahlt werden mussten, würden heute für Investitionen fehlen. Deswegen wäre für die nächste Vergabe durch die Bundesnetzagentur, die im Frühjahr geplant ist, ein Modell wie in Frankreich besser: Statt einer Frequenzauktion werden die bestehenden Lizenzen verlängert. Und im Gegenzug verpflichten sich die Netzbetreiber, das gesparte Geld für den Ausbau ihrer Netze zu nutzen. „In fünf Jahren wird niemand mehr nach den Preisen der Versteigerung fragen“, sagte Markus Haas. Statt für die Einnahmen der Bundesregierung würden sich die Bürger vor allem für den Ausbau ihrer Infrastruktur interessieren. Damit sich Deutschland in dem weltweiten Technik-Wettrennen weiter behaupten kann.