#DataDebates: Dem digitalen Wertewandel mit Empathie begegnen
Fotos: Henrik Andree
„Das war heute nicht ganz einfach“, sagte gestern der Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff. So fasste er die Diskussionen bei der zweiten Ausgabe der Tagesspiegel Data Debates mit Telefónica Deutschland als Initiator und Partner zusammen. Denn die Debatte war dieses Mal sehr anspruchsvoll und hatte die Gebiete von Politik, Psychologie, Philosophie, Religion und Technik durchstreift, um zu gemeinsamen Erkenntnissen über den Wertewandel unserer Gesellschaft zu kommen.
Das Telefónica BASECAMP war dabei voll bis auf den letzten Platz und auch die Twitter-Diskussion mit dem Hashtag #DataDebates lief wieder auf Hochtouren. „Nie zuvor in der Menschheitsgeschichte konnte man sich so einfach und schnell informieren und zugleich auch seine eigene Meinung teilen“, sagte Marcel Ritter, Mitglied der Geschäftsleitung von Telefónica Deutschland, schon bei seiner Einführungsrede.
Digitale Kommunikation: Ganze Welt in Sekundenschnelle
„Die ganze Welt ist in Sekundenschnelle verfügbar und erreichbar, aber diese digitale Kommunikation stellt uns auch vor neue Herausforderungen“, erklärte der oberste Justiziar des Unternehmens. Denn durch diese Entwicklung würden sich leider auch Fake-News oder Hasskommentare schneller verbreiten und es sei schwerer erkennbar, was relevant und wirklich wahr ist. Doch statt dagegen mit immer mehr Kontrollen oder gar Zensur vorzugehen, sollten die Internet-Nutzer lieber mehr Verantwortung übernehmen.
Ganz im Sinn des Kategorischen Imperativs des Philosophen Immanuel Kant könne „jeder Einzelne sich dazu entscheiden, sich eben nicht hinreißen zu lassen oder Unwahrheiten zu verbreiten.“ Das erfordere zwar Disziplin, doch es benötige vor allem auch Menschlichkeit: „Denn nur mit Empathie, die übrigens auch noch keine Maschine beherrscht, kann echte Kommunikation entstehen, die uns als Menschen ausmacht und uns von der Maschine unterscheidet.“ Seine Worte bildeten die Basis für eine besondere Debatte.
Übergangsphase: Medienevolution mit Wachstumsschmerzen
„Wir befinden uns in einer Übergangsphase der Medienevolution und fühlen Wachstumsschmerzen“, sagte der Medienwissenschaftler Prof. Bernhard Pörksen. „Doch wir entwickeln jetzt Mechanismen dafür, welche Kommentare wir überhaupt ernst nehmen und wem wir antworten.“ Ein praktisches Beispiel dafür bietet das Leben von Caspar Clemens Mierau, der neben Pörksen auf der Bühne im Telefónica BASECAMP saß.
Ganze 15 Stunden liest der Blogger und freie Journalist an jedem Tag seinen Twitter-Feed und er chattet auch dann noch mit seiner Frau, wenn sie schon im Nachbarzimmer sitzt. Doch Telefonieren ist ihm verhasst, weil ihn die Anrufe unterbrechen. Lieber tauscht er „den ganzen Tag kleine Info-Schnipsel“ bei Whatsapp und in den sozialen Medien aus.
Aber er versteht, dass andere Menschen „noch die Meta-Information des Klanges einer Stimme benötigen“ und deswegen Telefonate bevorzugen. Doch schließlich könne man „mit Skype sogar ein Wählscheibentelefon anrufen“ und jeder Mensch nutze eben die Kommunikationsmedien, an die er sich bis zu seinem 30. Lebensjahr gewöhnt habe.
Neues Leben: Online und Offline nicht mehr getrennt
Dazu gehört auch, dass es heute „keine Trennung mehr zwischen dem Online- und Offline-Leben gibt“. Das war zumindest die Hauptthese der Medienpsychologin Dr. Astrid Carolus von der Universität Würzburg. Überhaupt sei vieles, was heute als Wertewandel bezeichnet wird, in Wirklichkeit schon immer vorhanden.
Selbst die vielzitierten Filterbubbles, in die sich Leute heute zurückziehen, seien keine Erfindung des Internet-Zeitalters. Eine „defensive Selektivität“ beim Anerkennen von Argumenten habe es schon immer gegeben und auch früher hätten die Menschen nicht mehr auf andere Meinungen gehört als heute. Der Einfluss von Medien werde überschätzt, denn das direkte Umfeld würde Überzeugungen viel stärker prägen.
Doch damit konnte sie nicht jeden Debattenteilnehmer komplett überzeugen. Die digitalen Medien wirkten „als Verstärkungs- und Verschärfungsinstrument in unterschiedliche Richtungen“, merkte Bernhard Pörksen an. Der Ton bei Diskussionen im Internet sei einerseits schärfer als im analogen Leben – und andererseits sei der Rückzug in solche Filterblasen, wo man nur noch auf Gleichgesinnte trifft, heute viel stärker ausgeprägt.
„Die Formen der digitalen Kommunikation sind noch nicht eingeübt“, sagte Dr. Johann Hinrich Claussen, Kulturbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, denn sie ließen es vor allem an Verbindlichkeit mangeln. Doch selbst wenn sich mancher Mensch heute vom digitalen Wandel überfordert fühle, sei unser Gehirn doch eine „plastische Entität“, die sich schon immer an neue Geschwindigkeiten anpassen konnte. „Das Leben ist eine Rennebahn„, habe schon der Barock-Dichter Andreas Gryphius vor mehr als 350 Jahren über den ewigen Wandel geschrieben.
Am Ende gehe es eben doch immer wieder um dieselbe philosophische Frage, sagte der Moderator Stephan-Andreas Casdorff zum Abschluss des Abends: „Was ist der Mensch?„ Sie dürfte auch den Hintergrund der nächsten Ausgabe der Tagesspiegel Data Debates bilden, denn am 27. April geht es um digitale Souveränität mit dem ehemaligen schwedischen Ministerpräsidenten Carl Bildt, der heute der Vorsitzende der Global Commission on Internet Governance ist, und dem CEO von Telefónica Deutschland, Markus Haas.
Mehr Informationen:
Telefónica BASECAMP: Tagesspiegel #DataDebates
Tagesspiegel: Website für #DataDebates
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