5G: Katerstimmung im Vorzeigeland Schweiz

Foto: picjumbo / Viktor Hanacek / Ausschnitt bearbeitet
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Veröffentlicht am 18.02.2019

In der Schweiz sind die ersten 5G-Frequenzen versteigert, doch der Ausbau des Netzes ist ungewiss. Strenge Strahlenschutz-Regeln und Widerstand in der Bevölkerung bremsen die Fahrt der Eidgenossen.

Die Schweiz ist Deutschland einen knappen Monat voraus: Als eines der ersten Länder in Europa wurden vergangene Woche dort die ersten 5G-Frequenzen an Unternehmen vergeben. Für die 15 Jahre gültigen Konzessionen haben die drei Telekommunikationsunternehmen Swiss Telecom, Sunrise und Salt insgesamt 380 Millionen Franken (335 Millionen Euro) bezahlt.

5G-Rollout: Erst Euphorie, dann Ernüchterung

Kurz nach der Versteigerung verbreiteten die Schweizer Mobilfunkanbieter noch Euphorie. Der kleinste der Anbieter, Salt, versicherte seinen Kunden „ab dem dritten Quartal dieses Jahres 5G-Abdeckung mit Geschwindigkeiten, Latenzzeiten und Kapazitäten der nächsten Generation bieten zu können.“ Die Nummer Zwei, Sunrise, versprach, „künftig ein flächendeckendes Weltklasse-5G-Netz bereitzustellen.“ Und der Branchenprimus Swisscom gelobte, „5G so schnell als möglich live zu schalten“ und bis Ende 2019 in 60 Orten punktuell verfügbar zu machen.

Doch knapp eine Woche nach der Auktion, die auch in Deutschland als beispielhaft gepriesen wurde, rudern die Schweizer Anbieter zurück.

Keiner der drei Firmen will voraussagen, wann genau der Echtzeitmobilfunk landesweit verfügbar sein wird. Die Verheißungen der 5G-Welt, von Erfolgen in der Medizin bis zum selbstfahrenden Auto, rücken in die Ferne. „Eine rasche Einführung von leistungsfähigen und flächendeckenden 5G-Netzen“ sei unter den geltenden Rahmenbedingungen „praktisch nicht möglich,“ stellt Sunrise auf Anfrage des Tagesspiegel Background klar. Ähnlich pessimistische Töne sind von Swisscom zu vernehmen. Der dritte Anbieter, Salt, antwortete nicht auf eine Anfrage.

Keine Reserven im Schweizer Netz

picjumbo Straße Wald
Foto: picjumbo / Viktor Hanacek / Ausschnitt bearbeitet

Für das Ende der zuvor inszenierten Aufbruchsstimmung hatte Christian Grasser, Geschäftsführer des Schweizerischen Verbandes der Telekommunikation, gesorgt. Rund zwei Drittel aller bestehenden Mobilfunkantennen der Schweiz und weit mehr als 90 Prozent aller Anlagen in den Städten hätten die Grenzen der erlaubten Leistung erreicht. Somit verfügten sie nicht über die Reserven, um 5G leistungsfähig einzusetzen, sagte Grasser der NZZ am Sonntag. Die Folge:

„Unter der bestehenden Regulierung ist davon auszugehen, dass die Mobilfunkanbieter über 15.000 neue Mobilfunkstandorte erstellen müssten, um eine mit 4G vergleichbare Abdeckung oder um 5G-typische Eigenschaften zu erreichen,“

heißt es von Sunrise. Bis die neuen Antennen in Betrieb gehen, könnten Jahre verstreichen.

Strahlenschutzvorgaben bremsen höhere Auslastung

Derzeit stehen in der Schweiz knapp 19.000 Anlagen. Diese Einrichtungen dürfen ihre Sendeleistung nicht weiter hochfahren – die äußerst restriktiven Schweizer Regelungen zum Strahlenschutz stehen im Weg. Besonders hart kritisieren die Mobilfunkanbieter den sogenannten Anlagegrenzwert – eine Besonderheit.

„Die Grenzwerte in der Schweiz sind gegenüber den meisten europäischen Ländern sowie den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation um einen Faktor 10 strenger,“

heißt es bei Swisscom. Tatsächlich gehören die Schweizer Regelungen zum Schutz vor Elektrosmog zu den „strengsten Vorschriften weltweit,“ wie emf-info festhält. Der Informationsdienst schreibt über das Umweltschutzgesetz der Eidgenossen, das als Basis für die Regulierung gilt:

„Dieses Gesetz verpflichtet zur vorsorglichen Emissionsbegrenzung unter anderem dann, wenn ein Verdacht auf eine gesundheitliche Gefährdung besteht, selbst wenn diese Gefährdung wissenschaftlich nicht erwiesen ist.“

Seit Jahren drängen die Mobilfunkanbieter auf eine Lockerung der Bestimmungen. Die zweite Kammer des Parlaments in Bern, der Ständerat, beharrt aber auf den strikten Regeln, um gesundheitliche Risiken für die Bevölkerung so gering wie möglich zu halten.

Bevölkerung wehrt sich gegen Bau neuer Mobilfunkstationen

Doch nicht nur die scharfen Schutzregeln bremsen den Aufbau eines 5G-Netzes in der Eidgenossenschaft. Zudem machen den Anbietern das bergige und oft unwegsame Terrain sowie die langwierigen Genehmigungsverfahren zu schaffen.

Und auch viele Bürger leisten Widerstand. „Rund ein Drittel unserer Mobilfunkantennen-Baugesuche, Neubauten und Umbauten, werden mit Einsprachen belegt,“ lässt die Swisscom wissen. Die Gegner der Antennen zeichnen sich durch Hartnäckigkeit aus, wie etwa im Zürcher Stadtteil Enge. Zunächst versuchten Bewohner per Petition an den Stadtrat, eine Anlage in ihrem Wohngebiet zu vereiteln. Das scheiterte. Jetzt wollen die Bürger bis vor das Schweizerische Bundesgericht ziehen. Eine Vorstellung, die bei den Mobilfunk-Anbietern Kopfschmerzen auslöst. Wenn das oberste Schweizer Gericht zu Gunsten der Anwohner entscheidet, könnte dies als Präzedenzfall andere Projekte negativ beeinflussen.

Der vorstehende Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel BACKGROUND Digitalisierung & KI auf UdL Digital.

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