25. Mobilisten-Talk: Autonomes Fahren wird eine ganze Industrie ändern

Foto: Henrik Andree
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Veröffentlicht am 05.12.2017

Foto: Henrik Andree
Wird die Autofahrt zur Arbeit bald eine 360-Grad-Dauerwerbesendung mit dem geliehenen Elektroauto, das mir mein Smart Home automatisch bucht und ich es per Gesichtserkennung entsperre? Wie die Zukunft der Mobilität aussehen könnte, diskutierten beim 25. Mobilisten-Talk von mobilbranche.de im Telefónica BASECAMP Experten von Volkwagen, Bosch SoftTec, dem Elektroroller-Sharingdienst emmy, den App-Anbietern Free2Move, calimoto und Familonet sowie dem M2M-Bereich von Telefónica Germany.

Eine der großen Fragen, die im Zusammenhang mit der Zukunft der Mobilität und beim Wettrüsten zwischen Digitalfirmen und Autokonzernen beim autonomen Fahren immer wieder auftaucht: Werden traditionelle Autobauer gegenüber Google, Tesla & Co das Nachsehen haben? Wie App-Anbieter und traditionelle Autokonzerne Seite an Seite zusammenarbeiten, zeigt das Beispiel Familonet.

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Familonet-Gründer Hauke Windmüller, Foto: Henrik Andree

Das mit einer Ortungs-App für Familie und Freunde gestartete Unternehmen ist mittlerweile von moovel, der Mobilitätstochter von Daimler, übernommen worden, das an einem „Betriebssystem für urbane Mobilität“ arbeitet. Die Zukunftsvision des Projekts ist es, Shareconomy, autonomes Fahren und verschiedene Mobilitätsdienste zu bündeln und damit die Städte smarter zu machen, so Familonet-Gründer Hauke Windmüller in seiner Keynote. Und da passe Familonet als Spezialist für Location-based Services perfekt ins Konzept.

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Sebastian Dambeck von calimoto, Foto: Henrik Andree

Am vernetzten Motorrad arbeitet dagegen calimoto, ein Startup aus Potsdam mit einer Motorrad-App. Sebastian Dambeck will das Rad dabei aber nicht ganz neu erfinden, denn für echte Biker sei ein Elektroantrieb oder das Teilen des Motorrads keine Option. Sein Startup zielt auf mehr Sicherheit im Straßenverkehr und datenbasierte Angebote. Autofahrer könnten sich aber gerade in der autonomen Zukunft auch an Motorradfahrern orientieren, denen es weniger um die schnellste Fahrt von A nach B geht, sondern vielmehr auch um die Wahrnehmung der Natur: „Warum muss es immer die schnellste und nicht mal die schönste Strecke sein?“, fragte Dambeck ins Publikum.

Autos bald kein Statussymbol mehr?

Connected Cars, autonomes Fahren, Sharing Economy und elektrobetriebene Fahrzeuge (von Daimler knackig CASE genannt) in einer vernetzten, urbanisierten Welt sind die großen Trends der Branche, waren sich auch die Experten der anschließenden Podiumsdiskussion einig. In Zukunft stehe nicht die Frage ob, sondern vielmehr wie die durch autonomes Fahren eingesparte Zeit genutzt wird. Besitz statt Eigentum sei die Devise, der Traum vom eigenen Auto möglicherweise bald ausgeträumt.

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Andreas Sujata von Free2Move, Foto: Henrik Andree

Auch politische Reglementierungen werden Elektromobilität und Sharing fördern: In Chinas Metropolen ist der Traum vom eigenen Auto bereits zum teuren Glücksspiel geworden. KFZ-Kennzeichen kosten in manchen Städten wie Shanghai schon heute teils mehr als das Auto selbst und werden dort in einer Lotterie mit jahrelanger Wartezeit vergeben. Ein Szenario, das auch in Europa nicht abwegig sei. „In zehn Jahren wird ein Auto nicht mehr das Statussymbol Nummer eins sein“, sagt Andreas Sujata vom Carsharing-Dienst Free2Move. Das neue Statussymbol sei die durch Sharing gewonnene Unabhängigkeit, glaubt Valerian Seither vom Elektroroller-Sharingdienst emmy. Eine flächendeckende Verfügbarkeit von Carsharing sei aber noch nicht absehbar: Bisher ist die Ausweitung von Car2Go & Co auf Kleinstädte einfach noch nicht wirtschaftlich.

Vernetztes Auto: Es braucht offene Systeme

Zum Mobilitätsdienstleister werden, das wollen mittlerweile auch so ziemlich alle Autokonzerne. Doch den Umbruch in der Autoindustrie wird nicht jeder Autokonzern überstehen, glaubt Christoph Hohmann, der bei Volkswagen Pkw derzeit die „Think New! Organisation“ aufbaut. „Das Jahr 2020 wird ein Schlüsseljahr. Die Welt wird anschließend eine andere sein“, so Hohmann. Ein Problem sind bislang aber unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten: „Die Zyklen in der Automobilindustrie sind langsamer als in der App-Industrie“, so Kay Herget von Bosch SoftTec.

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Kay Herget von Bosch SoftTec, Foto: Henrik Andree

Damit künftig auch Fahrer älterer Autos besser digitale Services nutzen können, launcht sein Unternehmen nächste Woche die Bosch Driving App, die es möglich machen wird, aus einer zentralen App heraus per Sprachsteuerung diverse Dienste zu nutzen, von Navigation über Musikstreaming bis hin zur Spracheingabe von WhatsApp-Nachrichten. Zugleich will Bosch über diese App die Straßen sicherer machen, bspw. durch Falschfahrer-Meldungen. „Nur für Falschfahrer-Meldungen würde man sich nicht unbedingt eine einzelne App herunterladen, aber bei uns ist das im Gesamtpaket mit drin“, so Herget. Zugleich wird Agilität immer wichtiger, um möglichst viele Punkte der Wertschöpfungskette von Mobilität abzudecken. Daher suchen VW & Co den Schulterschluss mit Techkonzernen und Startups, gründen Digital Labs gründen und veranstalten Hackathons. Dabei sind es vor allem die Daten, die in Zukunft das Maß aller Dinge sein werden. Automatisierte Buchung eines Leihwagens oder die Kommunikation zwischen Fahrzeugen und völlig anderen Plattformen (Car2X) sind da nur einige Beispiele.

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Jürgen Pollich von Telefónica, Foto: henrik Andree

 

Für Mobilfunkanbieter wie die Telefónica ist dies sowohl eine Chance als auch eine teure Herausforderung beim Netzausbau: Funklöcher werde es weiterhin geben, sie seien aber kein Hemmschuh für die Entwicklung, glaubt Jürgen Pollich, Head of M2M & Fixed Connectivity im B2B-Bereich von Telefónica Germany. Es brauche aber Backup-Konzepte. Das Fehlen offener Systeme bei der Vernetzung von Autos ist für Pollich bislang noch der größte Bremsklotz, weshalb Autokonzerne, Mobilfunker und Techfirmen („Frenemies, halb Freund halb Feind“) aufeinander angewiesen seien.

Autonomes Fahren wird eine ganze Industrie ändern

„Wir kommen vom Car2Go zu Car2Come“, so Christoph Hohmann von VW, der davon überzeugt ist, dass Menschen auch in Zukunft viel Zeit im Auto verbringen, durch autonomes Fahren aber völlig andere Nutzungsszenarien entstehen werden: „Die Frage wird sein, wer macht die besten Angebote und wer macht die beste Schnittstelle. Wenn ich mir die Fahrt über Werbung angucke, fahre ich vielleicht sogar kostenlos.“

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Christoph Hohmann von Volkswagen Pkw, Foto: Henrik Andree

Zudem müsste man weiter denken als bisher: Künftig könne es autonome Vans mit eingebautem Fitnessstudio geben, die uns zur Arbeit bringen, Party-Fahrzeuge mit Bordbar oder auch autonome Wohnmobile, die uns über Nacht an die Adria chauffieren. Die Vorstellung jedoch, dass wir Menschen Autos aus Sicherheitsgründen womöglich in einigen Jahrzehnten gar nicht mehr selbst lenken dürfen – das ist selbst für VW-Querdenker Christoph Hohmann, der gern auch mal mit einem Oldtimer fährt, am Ende doch zu viel des Guten.

Dieser Artikel wurde zur Verfügung gestellt vom Mobilbranche.de
– von Fritz Ramisch

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